Unser (Tho-)Mann in Sao Paolo: "Materialstudie mit bierlaunigem Eigenfoto-Scan und Photoshop- Kristallisationsfilter"

Foto: G. P. Thomann

Zdenka Badovinac, seit 1993 Leiterin der Moderna Galerija in Laibach

Foto: Standard/Tomaz Gregroric
Österreich-Kommissärin Zdenka Badovinac, Leiterin der Moderna Galerija Laibach und u. a. Exkommissärin Sloweniens für die Biennale Venedig, klärt im Gespräch mit Doris Krumpl auf: über ein fiktives Individuum mit mehreren Persönlichkeiten und Assoziierten. Wien - Yes Sir, I can network it out, Sir! Smells like team-spirit, Sir! We are the world, we are the children, Sir! heißt das Projekt von Georg Paul Thomann, Österreichs Teilnehmer bei der Biennale Sao Paulo im März. STANDARD: Smells like team-spirit, Madam? Zdenka Badovinac: Der Direktor der Biennale Sao Paulo, Alfons Hug, hat die Metropole zum zentralen Thema erkoren und gleichzeitig auch entschieden, dass jedes Land durch einen einzigen Künstler repräsentiert sein soll. Auf der Suche nach Kandidaten sagte mir irgendetwas immer wieder "Smells like teamspirit". Ich hatte beinahe den richtigen Künstler gefunden, als ich kurz danach wieder auf dieselbe Person stieß, aber diesmal mit anderer Identität, als Teil einer Gruppe mit anderem künstlerischen Konzept. STANDARD: Staatssekretär Morak wollte einen "Blick von außen" auf die heimische Kunstszene. Wie wählten Sie Österreichs Beitrag aus? Badovinac: Ich frage mich, ob solch ein Blick von außen überhaupt existiert. Jeder, der in eine bestimmte Kunstszene involviert wird, erfährt eine lokale Initiation. Ich wurde von niemand Geringerem eingeführt als G. P. Thomann, damals mein Guide und nun mein Biennale-Künstler. STANDARD: Was ist das Spezielle an der österreichischen Kunst? Badovinac: Die Wiener Kunstszene hat sich in den letzten Jahren zu etwas sehr Außergewöhnlichem entwickelt, sicher auch beeinflusst durch die spezielle politische Situation. Ich war auch überrascht, in welchem Ausmaß die österreichische Kunst eine Art formalistische oder vielleicht Loossche Tradition weiterführt. Neue elektronische Musik verstehe ich als Art von neuem Formalismus und bin deshalb nicht erstaunt, dass sie eines der stärksten Segmente zeitgenössischen österreichischen Kunstschaffens geworden ist. STANDARD: Hat Staatsekretär Morak Herrn Thomann schon getroffen? War er ihm bekannt? Badovinac: G. P. Thomann und Herr Morak hatten hauptsächlich Kontakt in den 80ern. Morak hat Thomann sogar gefragt, ob er ihm das Cover einer seiner LPs macht. Aber Thomann mochte die Musik und sicher auch die pseudokritische Haltung nicht, also sagte er Morak, dass er auch Helnwein fragen könnte. STANDARD: Warum ist es wichtig, eine Art ironischer Meta-Diskussion/Reflexion im Kunstfeld zu implantieren? Badovinac: Ironie wird oft missverstanden als der Prozess, in dem jemand genau das Gegenteil von dem macht, was von ihm oder ihr erwartet wird. Mich interessieren derzeit mehr Projekte, die Präsentationskontexte dekonstruieren. Ironie ist ein kleiner Teil des Zuganges von Thomann, der hauptsächlich sehr seriös und analytisch arbeitet. Statt Ironie würde ich das Wort Humor bevorzugen - eine vernachlässigte Ausdrucksform in der heutigen Kunst. STANDARD: Wie verträgt sich das alles mit dem Biennale-Motto "Iconografias Metropolitanas"? Badovinac: Das Thema hier ist nicht nur die Metropolis, sondern auch die Struktur einer solchen Riesenausstellung. Thomann und seine vier Assoziierten (monochrom, Tonki Gebauer, 320x200, Richard Wientzek) fokussieren Counterparts - urbane und rurale Aspekte unseres Lebens. Zeitgenössische Kunst legt großen Wert auf urbane Aspekte, zugleich können wir sehen, das die relevantesten Probleme - zumindest in Zentraleuropa und am Balkan - in ländlichen Gegenden entstehen. Milosevic bekam die Mehrheit der Stimmen von der Landbevölkerung. Auch Haiders Macht basiert nicht unbedingt auf einem intellektuellen, sophisticated Wahlkörper. Es ist sehr gefährlich, sich dessen nicht bewusst zu sein. STANDARD: Was wird man im Österreich-Teil nun tatsächlich sehen? Badovinac: Das zentrale Element ist Thomanns Installation Selfportrait as Austrias Highest Mountain (I'm winning my Religion) . Der Großglockner ist verbunden mit vier Tourist-Centers, von denen jedes Ausstellungen mit jungen österreichischen Künstlern repräsentiert, die Thomann kuratiert. STANDARD: Ausstellungen als Touristencenter? Badovinac: Ja, die Center sind Sao Tonki Gebauer, Sao 320x200, Sao Richard Wientzek und Sao monochrom. Gebauers Center ist ein Remix und Recut von Fritz Langs Stummfilm Nibelungen inklusive Soundtrack. Die Installation von 320x200, einem politischen Kollektiv, heißt "Amt für Globalisierungskritik". Wientzek macht das, was er am besten kann: das "resoulment" der Malerei" STANDARD: Monochrom hat offenbar eine zentrale Rolle? Badovinac: Sie werden Tonnen von Zeugs reinkarren. Monochrom, selbst ernannte "Medienmogulerie", ist ein Wiener Publikation-Kunst-Theorie-Handwerk-Kollektiv mit aktionistischen Tendenzen. Es spielt die Unvereinbarkeit von psychologischen und virtuellen Codes miteinander auf witzige und melodramatische Weise aus. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. 2. 2002)