Wien
Falsch verstandene Tierliebe
Obfrau des "Turtles Rescue Center" wegen Tierquälerei verurteilt
Wien - Falsch verstandene Tierliebe brachte
die Obfrau des seit 1995 in Wien bestehenden "Turtles Rescue Center"
auf die Anklagebank im Straflandesgericht. Die 41-Jährige kennt
offensichtlich eine einzige Lebensaufgabe: "Ich wollte Schildkröten
pflegen, die in Küchen und Kinderzimmern gehalten wurden und davon
Langzeitschäden hatten." Besser erging es den Tieren bei ihr aber
auch nicht. Im Gegenteil: Einzelrichter Wolfrid Kirschner verurteilte
die Frau wegen Tierquälerei rechtskräftig zu zwei Monaten bedingter
Haft.Betreuung für verwaiste Schildkröten
Die 41-Jährige beschäftigt sich nach eigenen Angaben seit 29
Jahren eingehend mit Schildkröten. Um ihr Wissen zu vertiefen,
besuchte sie einschlägige Vorlesungen an der Universität und
fachspezifische Symposien. Auch Kontakte zu mehreren Tierärzten baute
sie auf. Schließlich gründete sie ihren Verein, übernahm kranke und
verwaiste Schildkröten, und man konnte solche während der Urlaubszeit
auch bei ihr zur vorübergehenden Betreuung abgeben.
Hunde, Mäuse 100 Vögelund 46 Wasserschildkröten
Auf die Frage nach allfälligen Sorgepflichten antwortete die
41-Jährige wie aus der Pistole geschossen: "Nur für die Tiere!" "Also
keine", bemerkte der Richter. Denn was Polizeibeamte Ende Oktober
2001 bei einer Hausdurchsuchung entdeckten, hatte mit Tierliebe wenig
zu tun. In ihrer mit Müll und Unrat voll gestopften Wohnung
beherbergte die "Tierschützerin" nicht nur drei Hunde, Mäuse und über
100 Vögel. So tummelten sich in einer einzigen Badewanne gezählte 46
Wasserschildkröten.
Keine optimalen Bedingungen
Zudem wurden die Tiere im Dunkeln und bei alles andere als
optimalen Temperaturen gehalten. Das Wasser, mit dem sie vorlieb
nehmen mussten, bezeichnete der als Sachverständiger beigezogene
Veterinär Heinz Burger wörtlich als "Bakterien- und Pilzsuppe". Er
rügte den "enormen Gruppen- und Infektionsdruck durch den Überbelag"
und meinte: "Das sollte man Tieren im 21. Jahrhundert nicht mehr
zumuten, dass sie im Waschtrog gestapelt werden."
"vorübergehende Notlösung"
Es habe sich um eine "vorübergehende Notlösung" gehandelt, betonte
die Beschuldigte. Sie habe damals kein anderes Quartier auftreiben
können. Außerdem habe sie als Notstandshilfe-Bezieherin kaum über
finanzielle Mittel verfügt: "Ich selbst hab' nur Erdäpfelpüree und
Nudeln gegessen." Ihre "Babys" habe sie nie schlecht behandeln
wollen: "Ich hab' mich bemüht, ich hab' davon Weinkrämpfe gekriegt."
Trotz der offensichtlichen Missstände hatte die Gemeinde Wien
ihren Antrag auf Zuerkennung als "Schutzzentrum" interessanterweise
positiv erledigt, was nun den Richter erstaunte: "Nachschau hat es da
wohl keine gegeben."
Die Schildkröten - insgesamt hatte man über 200 Exemplare
beschlagnahmt - sind derzeit bei verschiedenen Institutionen
untergebracht. (APA)