STANDARD: Nach 15 Jahren in der österreichischen Werbebranche, zuletzt bei Lowe GGK, gehen Sie zurück nach Zürich, als Chef der Agentur Wirz. Werden Sie österreichische Politik vermissen? Geri Aebi: Sagen wir so: Es war schon einmal einfacher, im Ausland als Österreicher aufzutreten, in diesen 15 Jahren als in den vergangenen ein, zwei. STANDARD: Mit rechten Politikern hat die Schweiz ja auch zu tun. Aebi: Von hier aus meint man, der Blocher wäre so ein Schweizerischer Haider. Es ist natürlich wahr, dass der auch ein extremer Populist ist. Nur hält es sich noch in gewissen Grenzen. Sonst würde er sich - als Unternehmer und Nichtberufspolitiker - viel zu sehr selbst wirtschaftlich schaden. Sagen Sie mir ein anderes Land, wo ein einfaches Parteimitglied auf Bundesebene so viele unglaubliche Dinge von sich geben und tun könnte, ohne dass es nicht zehnmal längst hätte zurücktreten müssen. Das ist schon ein österreichisches Spezifikum, auf das man nicht besonders stolz sein kann. STANDARD: Werden Sie an Österreich insgesamt etwas vermissen? Aebi: Neben ziemlich vielen ziemlich netten Leuten sicher die Welt- und Kulturstadt Wien, auch wenn die Wiener immer wieder genussvoll daran zweifeln. STANDARD: Umso unverständlicher, dass diese Kultur- und Weltstadt in der Werbung international selbst gegen Zürich und Umgebung meist abstinkt. Hat Werbung nichts mit Kultur zu tun? Aebi: Unter diesem Widerspruch leide ich seit 15 Jahren, eine schlaue Erklärung dafür maße ich mir nicht mehr an. STANDARD: Also 15 Jahre hier sinnlos gearbeitet. Aebi: Absolut (lacht). Im Ernst: Ich glaube, es ist in dieser Zeit schon sehr viel besser und professioneller und frischer geworden. Nur sind die anderen auch nicht stehen geblieben. Aber auch bei guten Agenturen ist man hierzulande relativ schnell mit etwas zufrieden. Und die provokanteren, die frecheren, die schrägeren Arbeiten sind den Kunden ohnehin schwerer zu verkaufen. STANDARD: Als Agenturchef hätten Sie jetzt einige Zeit weniger schnell zufrieden sein können - und vielleicht bessere Werbung und mehr internationale Preise machen. Aebi: Nicht, dass ich dem a priori widersprechen täte. Einige unserer besten Geschichten aus den vergangenen Jahren lagern in irgendwelchen Schubladen - aber das ist auch international üblich. STANDARD: Was war eigentlich der größte Schrott, den Sie je produziert haben? Aebi: Der größte Hit wäre netter. Aber bitte schön, auch wenn es ein bisschen heikel ist - einige Kunden existieren ja noch. Sagen wir es neutral: In der Handelswerbung hat man manchmal schon Dinge machen müssen, auf die man als Kreativer nicht besonders stolz war. Auch wenn ich auf der anderen Seite gerade mit einer Handelspromotion einmal besonders viel Aufsehen erregt habe - das war mit der Erfindung des "Gratis-Tages". STANDARD : Vor ein paar Tagen tauchte in einer Diskussion die Frage auf, warum es so wenig ältere Werber gibt. Sie sind jetzt 43 und könnten sich das langsam zu fragen beginnen. Aebi: Es nützt dir speziell in der Kreation einen Dreck, dass du vor einem Monat die beste Idee gehabt hast, wenn dir heute nichts mehr einfällt. Diesen täglichen Stress halten die wenigsten 40 Jahre durch oder können mit der nächsten oder übernächsten Generation mithalten, der wurscht ist, ob es zehn Uhr nachts oder fünf Uhr morgens ist. STANDARD: Trifft eigentlich Frédéric Beigbeders Roman "39,90" mit Drogen, Sex & Co die Realität der Branche? Aebi: Speziell die Werber in Österreich haben sich bemüßigt gefühlt, demonstrativ kopfschüttelnd zu sagen: So ist es überhaupt nicht. Ich behaupte: Es ist zwar extrem überzeichnet, manche Geschichten sind komplett meschugge. Aber das Grundgefühl vom Umgang mit Kunden oder Agenturbriefings oder auch Stimulanzien - ich habe einiges wiedergefunden. Das Thema Drogen ist aus meiner bescheidenen Sicht, der damit keine großen Erfahrungen hat, in Österreich harmlos verglichen mit anderen Ländern. Wenn das die Erklärung wäre für die bescheidenere Kreativität, dann wäre das natürlich eine besondere Tragik. STANDARD: Zum Abschied leise Servus: Was wünschen Sie der österreichischen Branche zum Abschluss - müssen ja nicht mehr Drogen sein. Aebi: In der Schweiz hocken sich die zehn großen Agenturchefs in völlig offenem Klima zusammen und bemühen sich um gemeinsame Standards - etwa für Konkurrenzpräsentationen. Wenn eine dieser Agenturen sich nicht daran hält und gratis präsentiert, wird sie geoutet und geächtet. Geradezu undenkbar hierzulande. Hier muss man der Kärnten Werbung sogar schon etwas zahlen, will man mitpräsentieren, Irrsinn. Die führenden Agenturchefs müssten sehen, wie sie gemeinsam der Branche und damit letztlich sich selbst etwas Gutes tun, statt einander Hackeln ins Kreuz zu schmeißen. Das kann man in Österreich nämlich wirklich saugut. (Harald Fidler/DER STANDARD; Print-Ausgabe, 23./24. Februar 2002)