von Stefan Ender
Wien - Schöne Dinge wurden der Welt geschenkt. Anita Wachter kam vor einigen Tagen mit einer Tochter nieder und gab ihr den Namen Amanda; für beide Taten sind der Vorarlbergerin Glückwünsche auszusprechen.

Anton Bruckner beglückte die Welt vor 110 Jahren mit einem überaus stattlich geratenen Geistes- und Seelenkind - seine Symphonie Nr. 8 in c-Moll wurde 1892 im Beisein des Meisters im Musikverein uraufgeführt. Von "tobendem Jubel" und "Wehen mit den Sacktüchern aus dem Stehparterre" wird erzählt, und auch über die Aufführung vom 2. März 2002 muss von einer äußerst positiven Resonanz des Publikums berichtet werden: Die Ovationen wurden stehend dargebracht.

Zu Recht: Mit Gelassenheit und Ehrfurcht durchmaßen die Wiener Philharmoniker an der Hand Bernhard Haitinks den symphonischen Riesenbau des Ansfeldeners. Ernst Blochs Worte von der "ruhevoll ungeheuren Kontinuität ihrer Bewegung" im Gedächtnis, sah man zu Bruckners gewaltiger Klangarchitektur vor dem geistigen Auge prächtige Säle und Kathedralen entstehen, "feierlich langsam, doch nicht schleppend", wie vom Meister gefordert.

Wählte man für die Beschreibung der Orchestertätigkeit das Bild eines luxuriösen Automobils, welches mit ruhiger Eleganz seiner Wege geht bzw. fährt, so müsste hinzugefügt werden, dass sich das Blech in seiner schönsten Form präsentierte und dass Bernhard Haitink die Klangkarosse mit Umsicht und Feingefühl pilotierte, ohne darauf zu vergessen, bei den wenigen dafür vorgesehenen Passagen einen etwas sportiveren Fahrstil zu pflegen. Bei den Primgeigen kam es zu geringfügigen Ausrutschern, bei den Kontrabässen konnten leichte Ermüdungserscheinungen festgestellt werden.

Ob Anitas Amanda wohl auch einmal so eine Bruckner-Fahrt mitmachen wird? Um beim Bild des ermatteten Großgeigers zu bleiben: Man wird gähn. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 04.03. 2002)