Wien - Aus Deutschland hat das Wiener Dom- und Diözesanmuseum eine kleine, aber aufschlussreiche Ausstellung übernommen, Ecclesia und Synagoga . Ohne in der Kirchengeschichte genau bewandert zu sein, errät man auf Anhieb nur, dass es sich um das Spannungsverhältnis zwischen Christen und Juden handelt. Doch die beiden Begriffe bezeichnen auch als Namen von Frauengestalten Inhalte der christlichen Ikonographie, die seit dem 9. Jahrhundert zunehmend "antijudaische" Bedeutung bekommen haben. "Ecclesia" steht für das Neue Testament, die christliche (katholische) Glaubensgemeinschaft, "Synagoga" für das Alte Testament, den "Alten Bund". Im Lauf der Zeit wurde die Synagoga immer mehr zum Symbol des Judentums schlechthin und damit zum Träger aggressiv herabwürdigender Konnotationen. Als Allegorie erscheint das Frauenpaar auf vielen religiösen Darstellungen, Skulptur, Glasfenster, Tafelbild, Elfenbeinschnitzerei. Die Ausstellung, wie sie in Essen und Saarbrücken zu sehen war, enthält etwa 50 solcher Allegorien, freilich in der Mehrzahl nur als Reproduktion. Auf den frühen sind die beiden Frauengestalten links und rechts unter dem Kreuz noch fast gleichwertig in ihrer demütigen Verehrung des Heilands auf dem Kreuz. Auf einer Elfenbeintafel aus dem Bargello in Florenz freilich wendet sich die Synagoga, die ja ursprünglich die Aufgabe hatte, die Heilsbotschaft zu verkünden, vom Heiland ab. Binde um die Augen Berühmt sind die hochgotischen Statuen der Ecclesia und Synagoga vom Bamberger Dom. Hier wird wieder die Idee der Concordia, der Geschwisterlichkeit beider aufgenommen, verschwistert sind sie in ihrer Anmut, als Verkörperung des Ideals einer Rittersfrau, doch die Synagoga hat eine Binde um die Augen, ist also bereits "verblendet". Später gehören die beiden vor allem zum Inventar der Kreuz-Allegorie. In dieser Allegorie erwachsen dem Kreuz aus jedem Balkenende Hände. Eines der wenigen Originale der Wiener Ausstellung ist ein Tafelbild aus dem Hohenzollernschloss Liebig, auf dem das "antijudaische" (sprich: antisemitische) Element, wie es der Katalog dezent ausdrückt, in aller didaktischen Wucht ausgeprägt ist. Aufreizendes Dekolletee Die obere Hand öffnet den Himmel, damit Enoch und Elias zur Erde zurückkehren können. Die untere schleudert Pfeile auf Hölle, Tod und Teufel. Die rechte Hand krönt die Ecclesia, die triumphierend auf dem Tetramorph thront, einem Wesen mit vier Köpfen, die den Symbolen der Evangelisten entsprechen, Löwe, Stier, Greif und Engel. Die linke hingegen schlägt der "Synagoga" die Krone vom Haupt. Die Frau, üppig von Gestalt, reitet auf einem Esel, hält einen Bockskopf in der Hand, hat eine aufreizendes Dekolletee - und ist in einem gelben Gewand gekleidet, wie es die Huren tragen mussten. Versöhnlichkeit stimmt die Wiener Ausstellung mit zusätzlichen Exponaten aus dem Bereich der kirchlichen Gegenwartskunst an. Auf einem Glasfenster, 1991 von Paul Weigmann entworfen, wendet sich die Synagoga der Ecclesia zu (anstatt ab), und in der linken trägt sie eine Thorarolle, "die Wurzel", wie der Kommentar lautet, "die auch die Kirche trägt." Der Künstler ist Deutscher; die Kirche, die ihm Auftrag und freie Hand gegeben hat, steht in Bonn. Ein Beiheft gibt Auskunft darüber, wo in Österreich man Darstellungen zum Thema findet, nicht zeitgenössische oder gar versöhnliche allerdings, sondern drastische der gegenteiligen Richtung: z. B. das Weltengericht-Fresko im Wiener Neustädter Dom aus dem 13. Jahrhundert, rechts die "Schafe", links die "Böcke", die Verdammten, die ein Teufelstier in das offene Maul des Höllendrachens zieht. Die beiden ersten tragen einen Judenhut. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2. 4. 2002)