Wien - Es wohnt der Forderung nach dem Besonderen, das sich möglichst auch im Musikalltag einzustellen hat, natürlich etwas Grausames inne. Sie negiert, dass im Begriff Alltag jene routinierte Normalität schlummert, deren Auftauchen ab einer gewissen Quantität der Konzertereignisse unvermeidlich wirkt. In Bezug auf die Wiener Philharmoniker ist von Alltag allerdings schwer zu sprechen, da der Präsenz des Orchesters im Wiener Konzertalltag aus Gründen der Staatsopern- und Tourneeliebe Schranken gesetzt sind. Und vor allem ist da auch jener Selbstanspruch, der das Herausragende als das Alltägliche fordert und verhindert, die Schönklang-Virtuosen aus der Pflicht zum Ereignis zu entlassen. Interessanterweise landen die Philharmoniker gerade bei der Zusammenarbeit mit Dirigent Lorin Maazel oft im Bereich der klangschönen Normalität, die den Eindruck von Unscheinbarkeit auf höchstem technischem Niveau hinterlässt. Die nun seit 40 Jahren bestehende Partnerschaft, die 1962 mit Maazels Einspringen für Karajan begann und bereits auf zehn Neujahrskonzerte zurückblicken kann, führte nun zur Ernennung Maazels zum Ehrenmitglied des Orchesters - ein Titel, der unter den Dirigenten nur noch Zubin Mehta zuteil wurde. Das diesbezügliche philharmonische Konzert mit Maazel, der im Sommer die Leitung der New Yorker Philharmoniker übernehmen wird, zeigte im Guten wie im Schlechten jene Routine, geboren aus einer 40-jährigen Zusammenarbeit. Behäbig-gemütlich und süßlich Bachs Ouvertüre h-Moll (BWV 1067). Das Werk litt an Überschönheit und Akzentlosigkeit (tadellos Flötist Meinhart Niedermayr) und konnte nicht erklären, warum es im philharmonischen Programm erscheinen musste. Mozarts Symphonie g-Moll (KV 183) schwebte immerhin mit großer Leichtigkeit an einem vorbei; und Mendelssohn-Bartholdys 4. Symphonie konnte auf dem verlässlich satten Klang aufbauen, wenngleich man nicht das Gefühl hatte, das Werk sei wirklich zum Leben erweckt worden. Nahtlos lässt sich da überleiten zu den Wiener Symphonikern, die das Frühlingsfestival im Wiener Konzerthaus mit Bruckners 7. Symphonie eröffneten. Mit Dirigent Eliahu Inbal kosteten sie jede Kantilene und jede Bläserentladung aus. Andererseits aber ließ man die innere Spannung vermissen, um das Werk in Festform zu bringen. Alltag auch hier. In schlanker Besetzung assistierte man übrigens zuvor Geiger Christian Tetzlaff, der bei Mozarts Violinkonzert A-Dur (KV 219) im Allegro intonatorische Probleme hatte, sich aber mit Fortdauer des Werkes "sammelte" und die Aufmerksamkeit doch noch auf seinen metallisch-blühenden Ton lenken konnte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 4. 2002)