Diskussion um "Österreich-Linie" im EU-Reformkonvent
Konventsdelegierte sehen Optimierung der "Verfasstheit" Europas realistischer als neue "Verfassung"
Redaktion
,
Wien - Der Hauptausschuß des Nationalrates kam am Donnerstag
unter Beteiligung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel,
Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (beide ÖVP) und
österreichischen Delegierten zum EU-Reformkonvent erstmals zu einer
gemeinsamen Beratung über die Zielsetzungen Österreichs im Rahmen des
Konvents zusammen. Ein grundlegender Auffassungsunterschied sowie
eine grundlegende Gemeinsamkeit zwischen Regierung und Opposition
traten nach der Sitzung hervor: Während Bundeskanzler und
Außenministerin von der Wichtigkeit einer gemeinsamen
österreichischen Linie sprachen, werten SPÖ und Grüne das als
vordergründige "Schulterschluss-Taktik". Einig schienen sich alle
Konventsdelegierten dagegen darüber, dass am Ende des Konvents keine
neue europäische "Verfassung" im wörtlichen Sinn stehen werde.
Der Bundeskanzler erklärte nach der Sitzung gegenüber der APA,
Österreich, das weder im Präsidium des Konvents noch in dessen
Sekretariat vertreten sei, müsse umso mehr "seine Kräfte bündeln",
den Kontakt zu den Entscheidungsträgern des Konvents suchen und dabei
gemeinsame Positionen zu vermitteln. Schüssel erwähnte in diesem
Zusammenhang Einladungen an Konventspräsident Valery Giscard
d'Estaing und Pat Cox, den Präsidenten des Europäischen Parlaments,
nach Wien.
Während auch die Außenministerin gegenüber der APA von der
Notwendigkeit "möglichst kohärenter österreichische Positionen"
sprach und der Abgeordnete Reinhard Bösch (F) "in essentiellen Fragen
gemeinsam Linien" formuliert wissen will, hat der Kanzler für den
SPÖ-Konventsdelegierten Caspar Einem mit seinem Appell zur Einheit
"die Schulterschluss-Karte gespielt" und sich damit in die Reihe der
europäischen Staats- und Regierungschefs eingereiht, die "mit
bemerkenswerter Intensität versuchen, den Konvent in den Griff zu
bekommen, damit die Delegierten nicht anfangen, grenzüberschreitende
Ideen zu entwickeln, die von ihren eigenen abweichen." Ähnlich Einems
Ersatzmitglied im Konvent, die Grüne Eva Lichtenberger, für die
"Österreich als einziges Prinzip" nicht entscheidend sein kann.
Deutlich trat in den Kommentaren der Konventsdelegierten die
Meinung hervor, eine "europäische Verfassung" im wörtlichen Sinn
werde kaum an Ende des Konvents stehen. Für den Vertreter des
Kanzlers im Konvent, den ehemaligen Wirtschaftsminister Hannes
Farnleitner (V), handelt es sich dabei "um "professorales
Wortgeplänkel". "Es gibt bereits eine europäische 'Verfasstheit'",
verwies Farnleitner auf die bestehenden Verträge und Abkommen, er
wäre "dankbar", wenn am Ende des EU-Reformprozesses "auch beim Lesen
einer ganz normalen Tageszeitung klar ist, wofür die EU zuständig ist
und wofür die Nationalstaaten." Den Begriff der "Verfassheit" Europas
wählte in diesem Zusammenhang auch Bösch und Lichtenberger.(APA)
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