Wien - Ein von der EU-Kommission in Auftrag gegebenes, aber noch unter Verschluss gehaltenes Rechtsgutachten, kommt zum Schluss, dass die Benes-Dekrete heute keine Rechtswirkung mehr besitzen. Das berichtet das Nachrichtenmagazin Format in seiner am Freitag erscheinenden Ausgabe. Damit nimmt die EU-Kommission einen völlig anderen Standpunkt ein als die Österreichische Regierung. Diese geht davon aus, dass die Benes-Dekrete nach wie vor rechtswirksam sind.

Die Brüssler Juristen haben zwölf für die Sudetendeutschen relevante Dekrete untersucht. Nur bei Dekret Nummer 16 hatten die Juristen kurz gezögert. Darin war für Deutsche im damaligen Tschechien, die mit den Nazis kollaborierten, auch die Todesstrafe vorgesehen. Eine Verjährungsfrist war nicht angegeben. Augenscheinlich werden Deutsche in Tschechien heute jedoch nicht mit dem Tod bedroht. Die Schlussfolgerung der Juristen: Auch dieses Gesetz ist nicht rechtsgültig.

Der juristische Dienst der EU hat deshalb am Ende befunden, dass die Benes-Dekrete in ihrer Gesamtheit den Beitritt der Tschechischen Republik nicht behindern. Ähnlich hatte sich bereits der EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen bei seinem jüngsten Besuch in Prag geäußert: Die Benes-Dekrete gehörten der Vergangenheit an, sagte er dort. (red)

(DER STANDARD, Printausgabe, 19.4.2002)