Graz - "Wenn sie mich jetzt rausschmeißen, weiß ich nicht, wohin ich gehen soll. Sie schicken mich mit drei Kindern ins Nichts." Jasminka A., eine in Graz lebende 36-jährige Bosnierin, kam vor zehn Jahren mit ihren Söhnen Medo und Alen nach Österreich. Vor fünf Jahren kam Dennis in Bruck zur Welt. Die beiden älteren Söhne, deren Vater vor dem Krieg starb, haben fast ihr gesamtes Leben und ihre ganze Schulzeit in der Steiermark zugebracht. Medo (16) und Alen (14) sprechen und schreiben nur Deutsch. Sie empfinden Österreich als ihre Heimat. Dennis ist Sohn eines Österreichers, trotzdem sollen er, Alen und ihre Mutter nach Bosnien abgeschoben werden. In ein für sie fremdes Land. "Wir haben dort überhaupt keine Zukunft", sagt Frau A., die sich vor drei Jahren, als die Bundesbetreuung endete und sie keine Arbeitsbewilligung bekam, überzeugen ließ, einen Neustart in ihrer ehemaligen Heimat zu wagen. Das Land Steiermark bot dazu eine Rückkehrhilfe von 36.000 Schilling (2616 Euro) an. Sippenhaftung "Wir wurden beschimpft, angespuckt, geschlagen, man hat uns die Fenster eingeworfen und meinen Söhnen mit Zwangsbeschneidung gedroht." Verwandte kann man sich bekanntlich nicht aussuchen: Frau A., deren Onkel als prominenter Kriegsverbrecher in Kroatien inhaftiert ist: "In Bosnien wäre es sogar besser, wir hießen Karadzic." Dabei hat Frau A. abgesehen von ihrem Namen rein gar nichts mit ihrer Familie zu tun. Denn diese hat sie bereits vor 14 Jahren verstoßen, als ihr Lebensgefährte starb und sie sich weigerte, das gemeinsame Kind, Alen, abzutreiben. Frau A. hat nur noch ihren Bruder Edin, der mit gültiger Aufenthaltsbewilligung in Kapfenberg lebt. Nach fünf Monaten floh die Familie halb verhungert und verzweifelt zurück nach Österreich. Wieder eingereist ist Frau A., die angeboten hat, dem Land die Rückkehrhilfe in Raten zurückzuzahlen, ohne Pass. Als sie diesen in Bosnien beantragte, wurde sie von einem Polizisten bedroht und sexuell belästigt. Der gescheiterte Versuch, wieder in Bosnien zu leben, wird nun vom österreichischen Innenministerium als mangelnder Integrationswille interpretiert. Der im Vorjahr vom Flüchtlingsverein Zebra eingebrachte Antrag auf humanitären Aufenthalt wurde abgelehnt, trotz einer Bestätigung des Arbeitsamtes, wonach ein Unternehmen Frau A. sofort anstellen würde. Nach STANDARD-Recherchen setzen sich nun SP-Bürgermeister Alfred Stingl und VP-Landeshauptfrau Waltraud Klasnic für Familie A. ein. Die grüne Landtagsabgeordnete Edith Zitz fordert einen unbegrenzten Aufenthalt. Colette M. Schmidt - DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 25.04.2002