Wien/Luxemburg - Justizminister Dieter Böhmdorfer signalisierte am Wochenende seine Gesprächsbereitschaft darüber, dass der Beschluss über die Abschaffung des Jugendgerichtshofs doch noch zurückgenommen werden könnte. Er ließ dies am Rande der Tagung der Justizminister in Luxemburg durchblicken. Böhmdorfer betonte, er sei an einer Verbesserung der Jugendgerichtsbarkeit in Österreich interessiert. Falls sich herausstelle, dass durch die Auflösung des Gerichtshofs dieses Ziel nicht erreicht werden könne, werde man den Regierungsbeschluss überdenken.Dass der Beschluss über die Abschaffung des Gerichtshofs im Ministerrat ohne vorherige Verständigung der Betroffenen, allen voran von Gerichtspräsident Udo Jesionek, gefallen ist, verteidigte der Minister. Er habe zuerst den Konsens in der Regierung herstellen müssen und dann aber sofort die Betroffenen per Fax zu Gesprächen eingeladen. Auf die Frage, ob dies im angespannten Klima zwischen ihm und Standesvertretern der dritten Gewalt eine sinnvolle Vorgangsweise und der Vorwurf der Gesprächsverweigerung an ihn daher durchaus berechtigte sei, konterte der Minister mit dem Gegenvorwurf, dass Richterpräsidentin Barbara Helige Gesprächsverweigerung betreibe. In Wien wurde unterdessen die Kritik an Böhmdorfers Plänen fortgesetzt. Vizebürgermeisterin Grete Laska bezeichnete die Abschaffung des Jugendgerichtshofes im Gespräch mit dem STANDARD als einen "Schlag gegen die Stadt Wien, vor allem aber gegen die Kinder und Jugendlichen, der durch nichts zu begründen ist". Man habe bereits geprüft, "ob und wie wir uns als Land dagegen wehren können". Da ein Einspruch auf juridischer Ebene nicht möglich sei, müsse nun die Öffentlichkeit mobilisiert werden, sagte Laska: "Es kann doch nicht so sein, dass hier mutwillig jahrzehntelang gewachsene und anerkannte Strukturen zerstört werden, die auf Hilfe und Prophylaxe ausgerichtet sind." Der Jugendgerichtshof sei gerade durch seine Einbettung in ein Netzwerk begleitender Maßnahmen erfolgreich, an denen Lehrer, Bewährungshelfer und Psychologen intensiven Anteil hätten. Diese Strukturen seien bei einer Umsiedlung nicht aufrechtzuerhalten, betonte Laska und warnte vor den Folgen: "Unsere Kriminalstatistik zeigt deutlich, dass der Weg der Rückführung jugendlicher Straftäter erfolgreich ist. Das darf nicht aufs Spiel gesetzt werden." Mit der Abschaffung der Jugendpolizei sei Böhmdorfer allerdings schon vom Prinzip der Prophylaxe abgegangen. Caritas-Direktor Michael Landau fordert ein Expertenhearing zum Thema Jugendgerichtshof: "Es ist dringend notwendig, dass Fachleute aus der Jugendanwaltschaft, der Bewährungshilfe und natürlich auch Juristen beigezogen werden." Der Kinderpsychiater Ernst Berger unterstützt diese Forderung: "Es ist ein absoluter Skandal, dass keine fachlichen Expertisen eingeholt und keine Experten gefragt wurden." Es gebe keinen Fachmann, der Böhmdorfers Pläne aus fachlichen Gründen befürworten könne. (ina, kob/DER STANDARD, Print, 29.4.2002)