Von Dominik Kamalzadeh

Wien - Ein Liebespaar läuft durch ein weites sommerliches Feld, lässt sich ins hohe Gras fallen, und der Wind unterstreicht die Bewegung. Die ersten Bilder von In the Bedroom geben einen Eindruck von Glück, von einer Idylle, die genauso suggestiv wie trügerisch ist.

Foto: UIP

Frank (Nick Stahl) und die ein wenig ältere Natalie (Marisa Tomei) sind an bestimmte Verhältnisse gebunden, von denen sie sich nicht einfach lösen können. Sie lebt mit ihren Kindern, getrennt von ihrem Mann, der sie misshandelt hat, während er, der Sohn einer bürgerlichen Familie, gerade vor der Entscheidung steht, welchen zukünftigen Weg er einschlagen soll.

Der eigentliche Mittelpunkt des Debütfilms von Todd Field, den man bislang allein als Schauspieler (zuletzt: Eyes Wide Shut) kannte, ist jedoch sein Schauplatz, Camden, eine Kleinstadt in Maine, im Nordosten der USA: Sie gibt dem Film den Raum, das soziale Netzwerk und auch den Rhythmus vor, in dem das Familiendrama - nach einer Vorlage von Andre Dubus - seinen tragischen Verlauf nehmen kann.

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Mehr als für die Handlung interessiert sich Field für seine Figuren, ihre Einbettung oder auch ihre Fremdheit in diesem Milieu, dabei vor allem für die Eltern von Frank: Matt (Tom Wilkinson), der Arzt des Ortes, und Ruth (Sissy Spacek), Schulchor-Leiterin, die der Beziehung ihres Sohnes mit Skepsis folgen.

Bevor also "das Ereignis" eintritt und Frank von Natalies jähzornigem Ehemann im Streit erschossen wird, hat man in gemessenem, ein wenig verträutem Tempo ein differenziertes Bild dieser Familie erhalten - von den Vorbehalten Ruths gegenüber der Freundin ihres Sohnes, die der Einschätzung ihres Mannes entgegensteht, auch von alltäglichen Routinen, einem Picknick, der Praxis des Hummerfischens.

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All das wird, ähnlich wie in Nanni Morettis Das Zimmer meines Sohnes, mit einem Mal infrage gestellt, als der Faden innerhalb dieser zutiefst amerikanischen Community reißt und der Gerichtsprozess den Hinterbliebenen erst recht keine Ruhe bringt: Der Mörder droht mit einer milden Strafe davonzukommen.

Trauer und Wut

In der folgenden Phase der Trauer und Wut hat In the Bedroom seine dichtesten Momente, und Field in Spacek und Wilkinson zwei großartige Ko-Autoren: Der Verlust treibt die Eheleute in die Einsamkeit und schließlich immer stärker in die Konfrontation. Zwar sucht Field emblematische Bilder - das verlassene Baumhaus, den leeren Stuhl in der Pokerrunde, die Zufallsbegegnung mit dem Täter oder das Wiedersehen mit Natalie.

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Aber er forciert die Situationen nicht, sie erscheinen selbstverständlich, nuanciert, indem sie die Unmöglichkeit der Eltern, "richtig" zu reagieren oder einfach nur weiterzumachen, verdeutlichen.

Schon bei Moretti musste die Andeutung eines Auswegs für die Familie von außen kommen. In the Bedroom wählt ein ähnliches, wenngleich drastischeres Mittel, das, um nicht zu viel zu verraten, mehr vom Kriminalfilmgenre entlehnt ist. Es handelt sich dabei um eine Tat, die wie in einem Film von Clint Eastwood die Frage nach persönlichem Recht und Gerechtigkeit stellt - ohne die Ambiguität des Films zu opfern.

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Und sie ist, wie so vieles in diesem erstaunlich stilsicheren Debüt, eine Lösung, die auf die Werte der Gesellschaft zurückverweist, der sie entstammt.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. 5. 2002)


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