Inland
Gedenkveranstaltung für Opfer des Nationalsozialismus im Parlament
Nationalrats- Präsident Fischer grenzt sich klar von Gewalttätern bei Demos ab
Wien - Das offizielle Österreich gedachte Freitag Vormittag
der Opfer des Nationalsozialismus. Bei einer Gedenkveranstaltung im
historischen Sitzungssaal des Parlaments - deren jährliche
Durchführung in den ersten Maitagen auf eine gemeinsame Entschließung
des National- und Bundesrats aus dem Jahr 1997 basiert - betonte
Nationalratspräsident Heinz Fischer (S), welche Betroffenheit es in
ihm auslöse, wenn man auf Fotos oder im TV junge Menschen sehe, die
sich zu Symbolen oder Gedankenelementen oder anderen Teilen der
NS-Ideologie bekennen. "Das ist deprimierend", so Fischer. Und: dazu müsse es klare
Stellungnahmen und eine klare Politik geben - auch auf europäischer
Ebene. Das Wort ergriff auch Bundesrats-Präsidentin Uta Barbara
Pühringer (V). Künstlerisch umrahmt wurde die Feier mit Werken von
Ernst Krenek und Arnold Schönberg und einer Lesung durch die
Schauspielerin Elisabeth Orth.
Breite Front gegen Gewalt und Rassismus gesucht
Der Nationalratspräsident appellierte zudem in seiner Rede, "dass
wir die Front der Ablehnung von Gewalt und Rassismus so breit wie
möglich, so stark wie möglich und so dauerhaft wie möglich erhalten.
Das sind wir den Toten und den Überlebenden des Nationalsozialismus
schuldig". Stellung nahm Fischer dabei auch zur aktuellen Debatte
über Kundgebungen am 8. Mai. Er habe Verständnis, wenn Bürger von
ihren Grundrechten Gebrauch machen und "gegen solche Phänomene"
demonstrieren. Allerdings müsse man diese Demonstration gegen
Gewalttätigkeit Einzelner schützen. Der Nationalratspräsident
distanzierte sich dabei "ohne Wenn und Aber" von Gewalttätern, die
friedliche Kundgebungen missbrauchen.
Pühringer sagte, kontinuierliche Erinnerungsarbeit sei gefordert.
Und: "Die Zögerlichkeit nach 1945 in der Auseinandersetzung mit den
Gräueltaten des Nationalsozialismus bleibt so lange Schatten, als
nicht alle möglichen Anstrengungen von Restitution und Entschädigung
erfolgt sind und alle mögliche historische Forschung noch ausstehende
Grundlagen für die kontinuierliche Bildungsarbeit bereit stellt." Die
Bundesratspräsidentin unterstrich zudem die Wichtigkeit der
Persönlichkeitsbildung, "die zu Eigenverantwortung mündiger Menschen
führt".
Pühringer bezog sich damit auf die zuvor erfolgte Lesung Orths aus
den autobiografischen Aufzeichnungen des Lagerkommandanten Rudolf
Höss ("Kommandant in Auschwitz"). Orth hatte eine Passage ausgewählt,
in der Höss die Vergasung von Juden und seine eigenen Eindrücke und
Empfindungen dazu beschrieben. Das Erschreckende am "Täterprofil" sei
- wie auch der vorgetragene Ausschnitt zeige - die "Normalität der
Menschen, die in dieses Profil fallen", so Pühringer. "Keine
dämonischen Charaktere, die der Faszination des Bösen verfallen
gewesen wären, treten da hervor, sondern höfliche, unauffällige Zeit-
und Parteigenossen, treusorgende Familienväter und nebenbei
Massenmörder - pflichtbewusste Buchhalter des Todes."
TeilnehmerInnen
An dem Gedenken nahmen neben Bundespräsident Thomas Klestil und
Altbundespräsident Kurt Waldheim u.a. Vertreter der Regierung,
Kardinal Franz König, der ehemalige Präsident der Israelitischen
Kultusgemeinde, Paul Grosz, Vertreter der Diplomatie und der
staatlichen Institutionen sowie die Abgeordneten des National- und
Bundesrats teil. Die Grünen Mandatare hatten weiße Rosen entweder im
Knopfloch oder auf den Tisch vor sich gelegt. Die Rose sei als Symbol
des Widerstands zu verstehen, erläuterte dazu Grünen-Chef Alexander
Van der Bellen.
Van der Bellen hatte in der ersten Reihe neben SPÖ-Klubchef Alfred
Gusenbauer Platz genommen. Ebenfalls aus der ersten Reihe und
ostentativ nebeneinander sitzend (zuletzt hatte es Meldungen über
Unstimmigkeiten zwischen den beiden Politikern gegeben) folgten die
Klubobmänner der Regierungsparteien - Andreas Khol (V) und Peter
Westenthaler (F) - der Veranstaltung. (APA)