Der Kreis schließt sich. Zum Anfang einer Regierungsperiode wird Geld verteilt, das während der Wahlen versprochen wurde - zuletzt vor allem das Kindergeld, eine beträchtliche Ausweitung des Sozialstaats. Dann wird das frisch verteilte Geld aus den Taschen derer geholt, die es bekommen haben - was im vergangenen Jahr zusammen mit der Erreichung des Nulldefizits zur höchsten Abgabenquote der Zweiten Republik geführt hat. Und bevor es in die nächste Wahl geht, wird Steuergeld als "Steuerreform" zurückgezahlt, um Wähler bei Laune zu halten. Der letzte Schritt ist jetzt zu planen, da bis zum Herbst das Budget für das Wahljahr 2003 erstellt werden muss. Das Ergebnis lässt sich aufgrund der politischen Arithmetik der schwarz-blauen Koalition leicht prognostizieren: etwas für die ÖVP-nahen Unternehmen, denen schon am Start der Koalition eine Senkung der Lohnnebenkosten versprochen wurde; und etwas für die angeblich FPÖ-nahen "kleinen Leute". Damit das Ganze spürbar wird, sind rund zwei Milliarden Euro nötig, geteilt durch zwei, macht eine Milliarde auf jeder Seite. Der Weg dorthin ist Theaterdonner. Was der dem Nulldefizit verpflichtete Finanzminister nicht selbst sagen wollte, überließ er seinem politischen Ziehvater auszurichten. Das verärgert die ÖVP, denn schließlich muss erst "verhandelt" werden, ehe "tragfähige Lösungen" verkündbar sind. Für den Steuerzahler bleibt das ein Ringelspiel, oder man könnte auch sagen: ein Nullsummenspiel. Nachhaltig wären Steuerentlastungen nur auf einem Weg finanzierbar: durch Ausgabenkürzungen, also geringere Sozialleistungen, sprich weniger Steuerzuckerln. Gegen so viel Konsequenz aber hat der Herrgott die Wahlen erschaffen. (DER STANDARD, Printausgabe 7.5.2002)