Düster und romantisch sollte das neue "Star Wars"-Kapitel werden, versprach US-Produzent George Lucas: Wieder sind aber Atmosphäre und Handlung nur Hintergrund für Demonstrationen technischer Innovation.


LINKS:

starwars.com

foxfilm.at

jedi-
alliance.de

Von Claus Philipp


Eins vorneweg: Nachdem in diesem Film die in der bisherigen Kinogeschichte wohl größte Kapazität an computerisierter Rechenleistung investiert wurde, vergleicht man ihn vielleicht am besten selbst mit einem Computerprogramm. Und zwar mit einem, das ein ungeheures Ausmaß an Speicherplatz beansprucht - was möglicherweise einmal zum Absturz der gesamten Datenmenge führen kann. Weiters sind in dieses Programm vermutlich Viren eingebaut, die schleichend die Festplatte zerstören und Investitionen in neue Hard- und Software nötig machen werden.

Sprechen wir von nichts weniger als einem radikalen Umsturz, ja, vielleicht auch System-absturz. Einem epochalen Umbruch jenseits von Gut und Böse. Einem völlig rationalen Schritt, der logisch auf die bisherige Praxis des US-Sommerkinos folgen musste - und doch zugleich, wie erfüllt von flackerndem Wahnsinn, ganz woanders hinführt. Dem ersten Anschein nach konzipiert als leichte Unterhaltungsware für etwa Zwölfjährige, ist Star Wars: Episode II nichts weniger als ein gigantischer logistischer Feldzug: in der technischen Komplexität seiner Machart. In den unzähligen Fronten, an denen er siegen soll. Und nicht zuletzt in seiner Gleichgültigkeit gegenüber dem menschlichen Faktor.

Abschied vom Menschen

Angriff der Klonkrieger (Attack of the Clones) nennt sich dieser mittlerweile fünfte Film von Lucas' Sternensaga: Der Produzent, Regisseur und Autor tut nur wenig, um etwa Tausendschaften von Embryonen, die er da auf Fließbändern in futuristischen Werkhallen imaginiert, moralisch zu hinterfragen - selbst wenn sie offenkundig in sinistrem Auftrag entstehen: Wesentlich ist, dass die digitale Animation gerade in solchen Massentableaus dem "realistischen" Kino überlegen ist. Legitimiert sind die Klone schon einmal dadurch, dass diese Art von Kino rein technisch am besten Heerscharen von Klonen abbilden kann.

Bei Menschen hingegen gestattet es sich geradezu fundamentale Fehlleistungen. Star Wars: Episode II ist ein Film, der einen Hochhaus-Sturz eines Jediritters samt Verfolgungsjagd in Flugtaxis einer anderen Galaxis höchst glaubwürdig veranschaulichen kann. Gleichzeitig interessiert es George Lucas keine Sekunde lang, ob der Bart des Hauptdarstellers Ewan McGregor (als Obi Wan Kenobi) permanent anders aussieht: Mal ist er echt, mal angeklebt, mal länger, mal kürzer - aber wen kümmert das, wenn nur die Landschafts- und Technologiepanoramen aus dem Computer passen?

Ähnlich ist es mit der Liebe und anderen Leiden. Bei Lucasfilm betreibt man wahnwitzigen Aufwand, um im Hintergrund gleich vier Niagarafälle nebeneinander zu imaginieren, während das im Vordergrund verspielt herumtollende Liebespaar von so etwas wie Inszenierung praktisch unberührt bleibt. Hayden Christensen (als junger, ehrgeiziger Anakin Skywalker und zukünftiger Darth Vader) und Natalie Portman (als adelige Jungsenatorin) spielen denn auch mit einer Hingabelosigkeit, vor der frühere Performances von Arnold Schwarzenegger Oscar-verdächtig anmuten.

Wenn Menschen in seinen Sternenkriegen verwundet werden, zuckt George Lucas mit keiner Wimper. Persönlichen Schmerz hingegen scheint es ihm zu bereiten, wenn Roboter eingebeult oder kurzfristig demontiert werden. Die vielleicht anrührendste Sequenz ist denn auch ein rasender Spießrutenlauf des armen C-3PO, dessen Kopf auf einem gigantischen Fließband versehentlich durch den eines Kampfroboters ersetzt wird. Die Verzweiflung darüber, dass er nun nicht mehr weiß, was die Beine tun, rückt ihn endgültig in die Nähe des Konservendosenmannes aus The Wizard of Oz. Der suchte auch ein Herz, um endlich Gefühle zu entwickeln - und vielleicht tut das auch George Lucas selbst, aber daran ist vorläufig nicht zu denken: 2005 soll Episode III in die Kinos kommen. Schon schreibt der Tycoon also am nächsten Drehbuch, am nächsten Computerprogramm, einem Update der Laufbilder, den das Kino in seiner traditionellen Form vielleicht nicht überlebt.

Keine Dutzendware

Noch einmal: Episode II ist mit herkömmlicher Sommerkino-Dutzendware nicht zu vergleichen. George Lucas, der in einer Spielklasse mit Francis Ford Coppola, Brian De Palma und Steven Spielberg groß geworden ist, bedient ja nicht irgendeinen vorformatierten Markt: Nein, das wäre ihm zu wenig. Er definiert den Markt und die Industrie, die ihn bespielen soll, also selbst.

Demgemäß ist die Attacke der Klonkrieger auch nicht konventionelles Popcorn-Kino für schnellen Konsum und gnädiges Vergessen: Nein, die Bilder ordnen sich hier nicht unter, um ärmliche B-Picture-Handlungen aufzufetten. Sie drängen vielmehr jede Handlung und jeden Handlungsspielraum radikal hinaus, um für sich selbst zu wuchern, während die Rechner auf Hochtouren laufen. State of the Art, sagt man zu so etwas mitunter. Aber was für ein Zustand ist hier erreicht worden?

Man muss sich das vorstellen: Ein mittlerweile 58-jähriger Filmemacher und Perfektionist spielt Kind und Gott zugleich. Die ihn umgebende Welt interessiert ihn nicht. Seine Welt ist ein Schneideraum. Und er ersinnt Tausende Möglichkeiten, um Welten zu erfinden, die so noch kein Mensch gesehen hat und in denen auch kein Mensch hausen möchte. Er erfindet Charaktere mit Namen wie Boba Fett oder Obi Wan Kenobi, die über unzählige Erzählstunden hinweg auch nicht die geringste relevante Veränderung durchmachen. Das tun sie dafür aber immer perfekter.

Und George Lucas mit seinem starren Blick und all seiner Macht bleibt bis auf weiteres einer der verstörendsten, beängstigendsten Popkünstler des amerikanischen Kinos. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12. 5. 2002)