"Kinderbetreuung wird immer noch als reine Frauensache diskutiert", so die einleitenden Worte von SP-Bundesfrauensekretärin Bettina Stadlbauer zur Präsentation von Barbara Vinkens neuem Buch "Die Deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos", zu der im Rahmen des heurigen Rabenmuttertages (die Standard.at berichtete) das Renner-Institut gemeinsam mit der SPÖ-Bundesfrauenorganisation Freitag Abend in den kosmos.frauenraum geladen hatten. Absage an deutsche Modelle Das Plädoyer der Autorin verfolgt lediglich eine, dafür - so werden viele ZeitgenossInnen anmerken - umso "radikalere" Richtung. Vinken, deutsche Wissenschafterin, wendet sich gegen alle bisher in der Bundesrepublik praktizierten Modelle der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die allesamt nicht funktionieren würden. Das von vielen Frauen - aber wenigen Männern - so heiß geliebte Partnerschaftsmodell lasse sich nicht realisieren, was einerseits an der Einkommensschere (die schlechter bezahlten Frauen bleiben zuhause) und andererseits an der Tatsache, dass Männer nur äußerst selten in Karenz gehen, liege. So wie sich Frauen noch immer zwischen Kinder oder Karriere entscheiden müssen, fühlen sich Männer ihrerseits nach wie vor für die Kinderarbeit nicht zuständig. Unterbrochene Berufsbiografien, schlechte bis keine Aufstiegsmöglichkeiten sowie geringe Gehälter bestimmen - nicht nur - in Deutschland die Frauenleben. Frauenpolitik definiert sich nur zu oft als Familienpolitik, nach deren Ideologie Frauen lediglich als Zuverdienerinnen gelten. Kehrtwendung "Outsourcing" Dieser Stagnation, die sich durch einen "sexistischen Karrieremechanismus" ausdrücke, könne, so Vinken, nur mit einer "extremen Kehrtwendung" entgegengewirkt werden: dem totalen "Outsourcing" der Kinderbeaufsichtigung in staatlichen Betreuungsstätten. Die Priorität der staatlichen Obhut richte sich zum einen an der Vorstellung von Gleichheit aus, die in privaten Institutionen kostentechnisch nicht erreichbar ist, zum anderen an der Erfahrung, dass alternative Privatinitiativen in ihrer zeitlichen Organisation aufwendig und daher für berufstätige Eltern unpraktizierbar seien. Neben den gleichen Chancen für Frauen im Beruf, die mit diesem Modell gegeben seien, spreche darüber hinaus das Wohl der Kinder. So wie in "früheren Zeiten" müssten Kinder wieder "mitleben können". Denn die gängige Realität von Mutter und Kind sei eine der Isolation und nur allzu oft der Depression: Kinder hätten zuwenig Kontakt zu anderen Personen. Zudem sei die negative Vorbildwirkung nicht zu unterschätzen. Kinder lernen: Vater bringt das Geld, Mutter ist die Sorgende. Grundlegende Defizite Barbara Vinkens Thesen sind, was den Ausbau staatlicher Kinderbetreuungsstätten und die Sozialisationsmöglichkeiten von Kindern betreffen in ihrer Grundrichtung durchaus zu begrüßen, erweisen sich jedoch in einigen zentralen Punkten als defizitär. Indem sie von einem rein bourgeoisen Lebensmodell ausgeht - wie es auch in ihrem historischen Abriss zum Ausdruck kommt - blendet sie die Realität sozialer Ebenen und somit die grundverschiedenen Bedingungen proletarischer Frauen gänzlich aus. Dieser Schwachpunkt greift dementsprechend auf den abgewetzten und mittlerweiler hohlen Terminus "Karriere" über - was versteht wer unter welchen Gesichtspunkten darunter? Ist es auch "Karriere", wenn eine Billa-Kassierin vierzig statt zwanzig Stunden an der Kasse sitzt? Die Undifferenziertheit im Detail findet sich im Großen, nämlich im patriarchal-ökonomischen System wieder, welches Vinken unhinterfragt lässt. Denn der Verzicht auf das Partnerschaftsmodell (sein Nichtfunktionieren gilt als erwiesen), bedeutet zugleich die Männer zur Gänze aus der Verantwortung zu nehmen (Jubel bei den Männern) und die Frauen auf ein neues patriarchalen Strukturen zu unterwerfen. Da gibt es weder die nun mehr unabkömmliche Forderung nach ökonomischer Umverteilung, noch die Beschränkung der Erwerbsarbeit auf eine 30 bis 35-Stundenwoche. Und die Wurzeln des weltweiten Sexismus bleiben sowieso im Verborgenen. (dabu)