Florenz - Seit Mitte der achtziger Jahre gibt es immer wieder beunruhigende Nachrichten über die Gefahr von Reisethrombosen. In seltenen Fällen sind sogar Todesopfer zu beklagen, während oder als Folge des Fluges. Doch die meisten Fragen dazu sind noch ungeklärt und Prophylaxe-Maßnahmen kaum wissenschaftlich abgesichert. Genaue Studien über die Häufigkeit von Thrombosen und dem Anteil der Flugreisen als Ursache fehlen. Univ.-Prof. Colin Prentice von der Universität Leeds verweist auf eine im vergangenen Jahr in der britischen Fachzeitschrift "The Lancet" publizierten wissenschaftlichen Arbeit. "Dabei wurde durch eine Ultraschalluntersuchung nach Langstreckenflügen bei zehn Prozent von Probanden, die keine Stützstrümpfe trugen, Thrombosen
festgestestellt. Bei den Stützstrumpf-Trägern wurde nichts
bemerkt. Doch die Untersuchungsmethode gibt nur indirekte Hinweise
auf eine solche Gefahr."
Nach Dr. Farrol
Kahn, Direktor des Aviation Health Institute in Oxford, wurde eine erste Verbindung zwischen Flugreisen
und solchen Todesfällen bei einer Studie am Flughafen Heathrow
mit 104 Todesfällen zwischen 1979 und 1982 hergestellt. "18 Prozent
der Opfer starben an Lungenembolien nach solchen Thrombosen. Damit
sind solche Zwischenfälle die zweithäufigste Todesursache bei
Flugreisen nach den Herzattacken. 90 Prozent der tödlichen Thrombosen
traten nach Flügen von mehr als zwölf Stunden auf."
Aber auch Kurzstreckenflüge bergen Gefahren. Studien belegen, dass
immerhin 17 Prozent der tödlichen Reisethrombosen nach
Kurzstreckenflügen vorkommen, allerdings die meisten nach einer
Flugdauer von mindestens fünf Stunden.
Zwei Drittel bis drei
Viertel der Opfer dürften Frauen sein. Während ein Alter ab 40 bzw.
50 bereits als Gefährdungsmoment gilt, werden in seltenen Fällen
schwere Zwischenfälle auch bei Flugreisenden ab 20 registriert.
Die wahrscheinlich wichtigsten Risikofaktoren:
- Flugdauer von mehr als vier Stunden
- Alter über 40 (mit den Jahren zunehmend)
- Bereits überstandene Thrombosen
- Schwere Krampfadern, Herzkrankheiten oder Krebsleiden
- Kurz zurück liegende Operationen oder Beinverletzungen (Brüche)
- Einnahme der Pille oder einer Hormonsubstitution, Schwangerschaft
bzw. die Zeit unmittelbar nach der Entbindung.
- Erbliche Veranlagung
Zur Vorbeugung wird empfohlen:
- So viel Bewegung wie möglich
- Viel Flüssigkeit (kein Alkohol)
- Keine Schlaf- oder Beruhigungsmittel
- Stützstrümpfe und medikamentöse Vorbeugung bei Patienten mit erhöhtem Risiko
Bei den entsprechenden Maßnahmen herrscht allerdings Uneinigkeit bei den Experten, vor allem was die Medikamente betrifft, die als Vorbeugung eingesetzt werden können. Dazu der britische Wissenschafter Colin Prentice: "Einen
direkten Beweis ihrer Wirkung in der Verhinderung von Reisethrombosen
gibt es nicht, solche Studien wird es auch nicht geben. Dazu treten
diese Zwischenfälle nämlich viel zu selten auf - und man kann keine
wissenschaftlichen Studien mit 500.000 oder noch mehr Probanden
machen."
Allerdings gehen die Wissenschafter von anderen Anwendungsgebieten dieser
Medikamente bei Thrombose-Gefährdeten aus und übertragen die Werte auf Reisethrombosen. Das gilt laut dem deutschen Forum "Reisen und Medizin" sowie maßgeblichen Experten
sowohl für das am häufigsten verwendete niedermolekulare Heparin zur Selbstinjektion
als auch für die Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin) - niedrige Dosierung von z.B. 150
Milligramm pro Tag.
Prentice schließt sich dieser Meinung an, wonach ASS durchaus
eine Möglichkeit zur medikamentösen Prophylaxe bei Flügen sein könnte.
"Für die meisten Reisenden könnte niedrig
dosiertes Aspirin die Gefahr einer tödlichen Lungenembolie um mehr
als die Hälfte reduzieren. Man könnte zum Beispiel 150 Milligramm am
Tag vor der Reise, am Flugtag und an den zwei Tagen danach
einnehmen." Es gäbe nur eine minimale Gefahr von Nebenwirkungen. (APA/red)