Wien - "Ich bin für eine großzügige Lösung." Otto Keimel, Präsident des 250.000 Mitglieder starken Kameradschaftsbundes, zeigt sich durchaus bereit, bei der Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure mitzuhelfen. Jeder, der Leid erlitten habe, sei ein Opfer. Wie er sich eine Lösung vorstelle, wollte er bei einer Podiumsdiskussion zum Thema am Dienstagabend aber nicht sagen. Das wisse nicht einmal die Politik.

Dass diese noch mehr als bisher gefordert sei, meinte der Politologe Walter Manoschek, der ein Forschungsprojekt über die österreichischen Opfer der NS-Gerichtsbarkeit leitet: Es sei "absurd", dass der Deutsche Bundestag dieser Tage die Unrechtsurteile pauschal aufgehoben hat und Österreich noch immer nicht. Dies, obwohl anerkannt sei, dass Österreicher damals in einer fremden Armee gedient haben. Damit sei Österreich das einzige Land, in dem Deserteure weder rehabilitiert noch sozialrechtlich anerkannt sind, so Manoschek.

Derzeit werden etwa Haftzeiten nicht als Beitragszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung angerechnet. Eine Situation, die einen Betroffenen zu einem bitteren Vergleich veranlasste: "Angehörige der Waffen-SS sind bei allen sozialrechtlichen Fragen einbezogen - Deserteure nicht", sagte Richard Wadani. Er war 1944 an der Westfront desertiert und kämpfte danach in der britischen Armee.

Geschätzte drei Millionen Strafverfahren hat die NS-Militärjustiz durchgeführt. Ungefähr 30.000 Todesurteile wurden verhängt. Davon wurden zwei Drittel vollstreckt - darunter auch an etwa 1500 Österreichern. Noch heute, so Wadani, würden viele Deserteure schweigen, denn nach dem Krieg wäre man als Verräter oder als Feigling dargestellt worden. Dabei sei die Desertion ein "absolut tödliches Unternehmen gewesen", wie Manfried Rauchensteiner, Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, erklärte. Auch er trat für eine rasche Rehabilitierung ein: "Das Unrecht, das durch die NS-Rechtssprechung begangen wurde, muss wiedergutgemacht werden."

Keine Filme in Aula

Einen Dämpfer gibt es für Diskussionsveranstalter: Die für heute, Donnerstag, in der Aula der Uni Wien geplante Filmreihe "Vergessene Opfer" musste verschoben werden. Das Rektorat untersagt alle Veranstaltungen in der Aula mit Hinweis auf die jüngsten Streitigkeiten mit Burschenschaftern. In einem der Filme hätte Richard Wadani sein Leben geschildert. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 23.5.2002)