Die Erkenntnis, ein Rennauto als horizontale Litfaßsäule zu nutzen, lag gerade vier Jahre zurück, als man bei Philip Morris/Marlboro 1972 meinte, dass die furchtlosen PS-Bändiger gut zum Cowboyimage von Freiheit und Abenteuer passten. Vorreiter Gold Leaf war mit seinem Engagement erfolgreich und mit Lotus zu zwei WM-Titeln gefahren. Nachfolger John Player Special, das zeitgleich mit Marlboro debütierte, fuhr mit Lotus in der ersten Saison nicht nur gleich zum WM-Titel, sondern machte Schwarz-Gold für die nächsten eineinhalb Jahrzehnte zu einem ähnlichen Charakteristikum wie Ferrari sein Rot.Als die Lotus gelb wurden, hatten die PR-Strategen mit Sicherheit aufs falsche Pferd und bestenfalls auf ein Kamel gesetzt. Und Lucky Strike begründete bereits Anfang der 70er, als man manchmal auf Lotus und Tyrrell warb, die Tradition der Erfolglosigkeit. Marlboro war zunächst so etwas wie der Samariter der Notleidenden. Für einen sechsstelligen Dollarbetrag warb man auf den Wagen von BRM, die ihre besten Zeiten längst hinter sich hatten. Jean-Pierre Beltoise errang 1972 im Regenrennen von Monte Carlo seinen einzigen, nach 13 Jahren eines Franzosen ersten sowie BRM's letzten Sieg. So viele Einzigartigkeiten machen dieses Rennen heute noch zum Kult und den Langzeitwert der Werbung zu einem guten. Dass im Jahr darauf ebenfalls in Monte Carlo und ebenfalls in einem BRM Niki Lauda mit seinem Höllenritt die Eintrittskarte für Ferrari samt erfolgreicher Karriere löste, ist im Rückblick für niemanden schlecht, auch für den Sponsor nicht. 1974 stieg Marlboro bei McLaren ein und finanzierte dort neun Fahrertitel. Nach 1991 war allerdings eine Zeit der Erfolglosigkeit angebrochen, in der man gegen Camel/Williams oder Mild Seven/Benetton oder Rothmans/Williams ohne Chance war. Als McLaren sich mit Mercedes liierte, passten die Marlboro-Farben nicht zur traditionellen Kolorierung der Deutschen. Anders als die deutsche Marke West, die in den 80ern Zakspeed noch in Rot-Weiß gesponsert hatte, waren die Amerikaner, bloß, um den Deutschen die Freude von der Auferstehung der Silberpfeile zu machen, zu einem entsprechenden Farbwechsel nicht bereit. Nach 23 Saisonen trennte sich das Erfolgsduo, die Amerikaner griffen nun Ferrari unter die Arme und wurden bald mit zwei WM-Titeln belohnt. Marlboro wird als größter Sponsor in die Formel-1-Geschichte eingehen. Das Ausmaß der in drei Jahrzehnten investierten Gesamtsumme mag man nur erahnen, wenn man weiß, dass das Engagement bei Ferrari jährlich gut und gern 100 Millionen Dollar kostet. Schadenersatzklagen im hohen zweistelligen Milliarden-Dollar-Bereich und baldiges Werbeverbot lassen jedoch die Tabakgelder spärlicher fließen und die Rennställe nach neuen Sponsoren suchen. Etwa die Hälfte hat den Nikotinentzug bereits verkraftet, die andere Hälfte hat noch bis längstens 2007 Zeit. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.5.2002)