Es war einmal ... eine Band, die hieß Flowerpornoes . Sie schrieben Lieder über fliegende Teddybären und Monster, die an Himbeerbüschen nagten ... und waren irgendwie supersympathisch. Zwangsläufig eigentlich.

Sie waren die Stimme der ersten Generation von in WGs aufgewachsenen Kindern, in ihrer - Teenage Urgh Argh - Anfangszeit in den 80ern ein wenig überdreht, dann sich allmählich beruhigend und vor unsren Augen erwachsen werdend - und immer von einer eigentümlich friedlichen Ausstrahlung umgeben. Und nochwas: diese Stimme sprach Deutsch - ab dem zweiten Tonträger teilweise, ab dem dritten ausschließlich. Und das war in der Zeit, bevor das Blumfeld spross und Lassie singen lernte, nun wirklich etwas Besonderes.

Evolution

Doch wie alle Märchen ging auch dieses einmal zu Ende, und eines Tages gab es die Flowerpornoes nicht mehr. Sie, die aus irgendwelchen Gründen nie in der ersten Reihe der Aufmerksamkeit gestanden hatten und doch vielleicht die beste deutsche Band der 90er Jahre gewesen sind, verschwanden genauso unauffällig, wie sie zuvor gelebt hatten.

Es war auch kein wirklicher Tod, sondern mehr ein sanftes Hinübergleiten in das Solo-Projekt von Sänger Tom Liwa, der die Musik der Flowerpornoes und die Entwicklung, die sie im Laufe eines Jahrzehnts vollzogen hatte, einfach fortschrieb. Liwa arbeitete auch weiterhin gelegentlich mit seinen Flowerpornoes-Gefährten Birgit Quentmeier und Till Steinebach zusammen: ... und so verschieden, wie wir im Moment auch sind / ist da kein Neid, keine Reue, nichts dergleichen ...

Funky sexy

Jemandem, der die Flowerpornoes nicht gekannt hat, könnte man (nach der dringenden Aufforderung, bittebitte alle ihre Platten nachzukaufen) ihre Musik als Schnittmenge aus Folk, Blues und Gitarrenpop beschreiben - letzterer anfangs vorherrschend und dann, je länger es die Band gab, immer mehr in den Hintergrund tretend. Bis dann, in direkter Fortführung der Linie, auf Liwas Solo-Platten nur noch die beiden ersteren Elemente übrig blieben.

Manchmal eruptiert in der eingekehrten Ruhe jedoch noch das alte Temperament, die Rhythmus-Sektion legt los und die akustische Gitarre wird gegen eine elektrische ausgetauscht ... und es wird Rock. Und bei der Gelegenheit zeigt sich einmal mehr, dass Liwa als Zeitgenosse von Bands wie 39 Clocks oder Kastrierten Philosophen einen ganz, gaaanz anderen Zugang zur Gitarren-Musik der allmächtigen 60er Jahre hat als die harmonieverliebten Loungepop-Gruppen unserer Tage. Und wie immer singt Liwa mit der Stimme eines 15 Jahre jüngeren Mannes und den Einsichten eines 50 Jahre älteren.

Aura

Noch eines müsste man als Charakteristikum - als veritable Einzigartigkeit gar - anführen, das sich beim Anhören einer Flowerpornoes-Platte zwar sofort erschließt, jedoch nicht wirklich in Worte fassen lässt. Es ist eine Aura von unausgesprochener und doch omnipräsenter Friedfertigkeit, eine Melancholie, die den Tag irgendwie heller macht, ein Daheimsein im Fernweh, eine Abgeklärtheit ohne jede Spur von Verbitterung ... und andere Widersprüche mehr.

Tom Liwa ist einer der, vielleicht sogar der beste deutschsprachige Song-Texter unserer Tage - und manches von dem, was er geschrieben hat, hat das Ausgedrückte so auf den Punkt gebracht, dass weitere Annäherungen an dieses Thema entfallen könnten:

Sie sagt: ich hab mich entschieden
ein bisschen so zu werden
wie ich nie wollte, dass ich werde
ich will nun mal irgendwohin ...

Ich brauch nicht lang, um mein Gesicht anzumalen
ich brauch nicht lang, um meine Sachen zu packen
ich brauch nicht viel
es braucht nicht viel
all das kaputt zu machen
aber ich kann's auch lassen.

Traurig? Das muss nicht sein, denn Hoffnung gibt es immer: Eines Tages wirst du fliegen, kleiner Hase, über den Ozean, sprach die Maus ohne Ohren aus den Versuchslabor. Wahre Märchen sterben eben doch nie. (Josefson)