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Foto: APA/ ARGE architekten wien mitte
Wien - Zwei Tage lang hatten sie ihn kreuz und quer durch Wien geführt; zum Bahnhof Wien-Mitte, durch die City, hinauf auf die Gloriette - und dann äußerte Fancesco Bandarin, Direktor des Unesco-Weltkulturerbe-Centers seine persönliche Meinung. Vorsichtig. Aber doch: "Nein, ich glaube nicht, dass die Wiener Innenstadt wegen des Projektes Wien-Mitte auf die Rote Liste der bedrohten Weltkulturerben kommen könnte. Hier gibt es bei weitem nicht dieses Ausmaß an Bedrohung." Man müsse schon die Relationen wahren - im Vergleich mit historischen Stätten, die von Krieg bedroht seien. Aussagen, die 25 initiative Bürger Sonntagmittag bei der Diskussion im Hotel Hilton so richtig in Rage brachten: "Die Unesco ist dabei, die Weltkulturerbekonvention nicht zu beachten", wurde Bandarin etwa vorgeworfen, es würden "die Ideale der Uno-Charta mit Füßen getreten" und überhaupt - bei der Situation um Wien-Mitte gebe es "keinen Unterschied zum Sprengen von Buddhastatuen". Da wurden selbst gebastelte Fotomontagen ausgepackt, ein papierener Stephansturm neben das Wien-Mitte-Hochhaus-Modell gehalten. Wien komme dazu "wie die Jungfrau zum Kind - aber es werden Vierlinge. Die Stadt hält das nicht aus!" Planungsstadtrat Rudolf Schicker (SP) erinnerte daran, dass die Projektbetreiber einen Fluchtlinienbescheid haben, also rechtlich nichts mehr möglich sei. Die Diskussion artete auch in Schreiereien aus, weil sich Schicker so überhaupt nicht wie ein Taliban fühlt, der Buddhastatuen sprengen lässt. Kritik am Bauträger Gleichzeitig kritisiert der Stadtrat den Bauträger B.A.I. deutlich: Wegen dessen mangelnder Informationspolitik: "Wenn etwa das Modell und die Fassadenentwicklung nicht sofort an die Öffentlichkeit kommen." Also stellt die Stadt Wien noch vor dem Sommer die Planungswerkstatt für eine Ausstellung zur Verfügung. Aber zahlen soll das schon die B.A.I. Für Bandarin war es "ein Besuch, um zu lernen - ich bin nicht als Salomon gekommen". Kein Zweifel bestehe daran, dass mit dem Bahnhof Wien-Mitte etwas geschehen müsse. Natürlich könne man über Verkehrs- und soziale Auswirkungen reden. "Aber der entscheidende Punkt scheint mir doch die Höhe und die Silhouette der Stadt zu sein." Ob er glaube, dass der Canaletto-Blick vom Belvedere durch die Wien Mitte-Türme gestört werde? "Warum reden alle von diesem Blick?", wundert sich Bandarin. "Da wurden doch schon Türme hineingebaut - warum wurde das damals nicht diskutiert?" Auch scheint ihm, dass "alle nur über Meter reden - und nicht über Qualität". Über das Projekt Wien-Mitte dürfte aber noch einmal geredet werden - bei der nächsten Sitzung des Kulturerbe-Komitees. Aber eines betont Bandarin schon jetzt: "Unsere Aufgabe ist es, Städte bei ihrem Bemühen um den Schutz der historischen Substanz zu unterstützen. Wir sind kein internationaler Gerichtshof." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. 5. 2002)