dieStandard.at Du hast mit deinem explizit feministischen Text den ersten Platz bei "Rhymes and Poetry 2002" gewonnen. Hast du damit gerechnet?

Kuntschner Nein, überhaupt nicht. Die einzelnen Mitglieder von Grauko (Anm. der Red.: Grazer AutorInnen Kollektiv) haben zwar in letzter Zeit sehr viele Preise bekommen, aber das war die Überraschung schlechthin. Ich schreibe erst seit ungefähr einem dreiviertel Jahr Raps und hab echt nicht damit gerechnet.

dieStandard.at Wieso schreibst du? Beziehungsweise wieso schreibst du Raps?

Kuntschner Ich hab heute gerade einen Artikel von der Alice Walker gelesen, in dem sie Toni Morrison zitiert: "I write the books I want to read" und Alice Walker führt das weiter und sagt "I write the books I should have read". Und das trifft auch auf mich zu.

Ich bin auch eine Gschichteldruckerin, war ich schon immer. Und das dann aufzuschreiben, war irgendwie naheliegend. Ich hab schon auch das Gefühl, dass ich etwas zu sagen habe. Und der Text, mit dem ich gewonnen habe, der ist wirklich "Message pur". Mir war das so ein Anliegen, das einmal anzubringen. Und ich hab mir eigentlich gedacht, dass das schon so offensichtlich ist.

dieStandard.at Feministischer Rap, vor allem in Österreich, ist aber gar nichts alltägliches ...

Kuntschner Ich hab mir auch gedacht, dass mir bei diesem Thema alle aussteigen. Hip Hop ist ja so ein Chauvi-Geschäft, so ein Macho-Geschäft. Wenn du dir amerikanischen Hip Hop anhörst, da geht’s ja nur um "Bitch" und "Slut". Aber dann waren alle begeistert und haben gemeint: "Das hab' ich mir auch immer schon gedacht!"

dieStandard.at Ist dein Rap für diesen Wettbewerb oder schon früher entstanden?

Kuntschner Geschrieben hab ich ihn für den 8. März, da hab ich ihn auch das erste Mal gelesen. Und entstanden ist er, wie viele meiner Texte, aus einem Gefühl heraus.

Vor kurzem bin ich mit zwei Freundinnen beim Laufen vom Regen überrascht worden und wie wir mit unseren nassen T-Shirts gelaufen sind, starrt uns doch so ein Typ frappant auf den Busen. Ich war so wütend, ich wollte schon hingehen und ihm sagen, dass die Welt kein "Wet T-Shirt-Contest" für ihn ist und wir das nicht machen, um ihn zu erfreuen.

dieStandard.at Eine der typischen alltäglichen Belästigungen ...

Kuntschner Ja, genau. Ich wollte einmal wirklich klipp und klar sagen, worum’s mir da geht. Herum metaphorisieren ist schon lässig, aber das verstehen dann erst wieder nur die Leute, die es von vornherein schon kapiert haben.

Der Rap ist auch total emotional, das merkt man auch. Er ist auch überhaupt nicht durchargumentiert, ich wollte einfach einmal diese Wut heraus lassen: "Wir sind jetzt im Jahr 2002 und es ist noch immer das gleiche. Ihr tut immer so, als wären wir so emanzipiert und alles wäre so lässig und aufgeklärt." Aber, eben: es beginnt mit kleinen Dingen in Straßenbahnen und endet schnell mit Fahnen, auf denen Patriarchat steht.

dieStandard.at Danke für das Interview.

(e_mu)