Natur
Erdbeben ließ 400 Kilometer langen Spalt zurück
Tektonische Verschiebung in Tibet um bis zu 16,3 Meter
Washington - Das Erdbeben in Tibet vom vergangenen
November hat die Erde über eine Länge von knapp 400 Kilometern
aufgerissen. Gleichzeitig trat eine tektonische Verschiebung entlang
der aktiven Kunlun-Verwerfung im Norden Tibets bis zu 16,3 Metern auf. Das
haben japanische und chinesische Forscher bei Messungen festgestellt.
Beide Daten gehören zu den extremsten, die bisher von einem
seismischen Brennpunkt der Erde bekannt wurden, schreiben sie im
Wissenschaftsjournal "Science" vom Freitag.Ausgleichsbewegung
Die Messungen bestätigen ihren Angaben nach, dass die Kunlun-Verwerfung
die Kollision zwischen der indischen Platte und der eurasischen
Platte auszugleichen versucht. Durch den Prozess werde Tibet jährlich
um einige Millimeter in östliche Richtung abgedrängt, schreibt das
Team um Aiming Lin vom Institut für Geowissenschaften der Universität
von Shizuoka in Japan. "Die Kunlun-Verwerfung absorbiert einen erheblichen
Teil der Auswirkungen durch die gegenwärtige Annäherung von indischer
und eurasischer Platte, indem sie dem tibetanischen Plateau erlaubt
auszuweichen", heißt es in dem Artikel.
Das Beben hatte sich am 14. November 2001 in Zentral-Kundun mit
einer Stärke von 8,1 auf der Richter-Skala (R) ereignet. Die
Verschiebung wurde auf der östlichen Seite der Verwerfung anhand markanter
Punkte wie Moränen, Straßen, Wasserläufen und Terrassen ermittelt,
erläutern die Forscher. Die westliche Seite liege in einer Region mit
Gletschern und Sümpfen sowie dem 6.860 Meter hohen Buka Daban und sei
nur schwer zugänglich.
Historischer Kontext
Zwei "historische Beben" im 20. Jahrhundert hätten dem
tektonischen Druck in Tibet bereits "Luft gegeben", heißt es in
"Science". Das erste im Jahr 1937 mit einer Stärke von 7,5 R am
Tuosho-See habe die Erde auf 300 Kilometer Länge aufgerissen und eine
Verschiebung von sechs Metern produziert. Das zweite trat 1997 mit
einer Stärke von 7,6 R in Manyi auf und riss eine 170 Kilometer lange
Spalte. Dabei sei eine Verschiebung von sieben Metern gemessen
worden.
Mit noch stärkeren Beben in dieser Region sei alle 800 bis 1.000
Jahre zu rechnen, schreiben Lin und Kollegen. Darüber hinaus bewege
sich der tibetanische Norden jährlich um acht Millimeter in Richtung
Ost-Nordost und der Süden von Zentral-Tibet um 20 bis 22 Millimeter.
(APA/dpa)