Wien - In verschiedenen "Lagern" wächst die Skepsis bezüglich der Finanzierbarkeit und des Umsetzungszeitpunktes der von Schwarz-Blau angepeilten Steuerreform 2003. Selbst Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wiederholte bei der volkswirtschaftlichen Tagung der Nationalbank (OeNB), dass der Spielraum erst erarbeitet werden müsse. Der prognostizierte Aufschwung verzögere sich um ein bis zwei Quartale und werde erst 2003 wirklich spürbar sein.Die OeNB selbst sagt in ihrer Frühjahrsprognose für das Jahr 2003 ein Defizit von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Österreich voraus, wobei Vizegouverneurin Gertrude Tumpel-Gugerell auf Nachfrage bestätigte, dass dabei noch gar kein Entlastungspaket eingerechnet worden sei. Das Wirtschaftswachstum sieht die OeNB bei 2,4 Prozentim nächsten Jahr. Schüssel hatte stets betont, erst ab 2,5 Prozent Wachstum sei eine Steuerreform finanzierbar. Wifo: 2,8 Prozent sind möglich Der Konjunkturexperte am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), Ewald Walterskirchen, sagt, die von seinem Haus erwartete Wachstumsrate von 2,8 Prozent für 2003 stelle die "Obergrenze" der Bandbreite dar. Hielten die 2,8 Prozent, gebe es eventuell Spielraum für eine Lohnnebenkostensenkung, nicht aber für eine Steuerreform. Alles unter der Annahme, dass das Budgetdefizit aus politischen Gründen nicht ausufern darf. Zum Vorwurf, die Steuerreform - so sie kommt - sei prozyklisch statt antizyklisch zum Konjunkturverlauf, sagte Walterskirchen: "Die Regierung kann argumentieren, die Steuerreform macht zu Beginn des Aufschwunges Sinn, weil der Aufschwung noch alles andere als sicher ist." Kritiker sagen, ein Entlastungspaket in wirtschaftlichen Erholungsphasen (prozyklisch) sei Geldverschwendung. Eine Steuerreform müsse im Abschwung, also antizyklisch, die Kaufkraft stärken. Androsch: Belastungspaket in Sicht Für den Unternehmer und früheren SP-Finanzminister Hannes Androsch kommt die Steuerentlastung 2003 bestimmt. Auch das Nulldefizit sei "schon nach zwölf Monaten abgeblasen" worden. Dafür sei aber auch das nächste Belastungspaket für 2004 schon vorprogrammiert. Jeder Bürger wisse: "Wenn sie mir jetzt 300 Euro geben, nehmen sie mir im nächsten Jahr wieder 1000 Euro weg." (Michael Bachner/DER STANDARD, Printausgabe, 14.6.2002)