Die jahrelangen Bemühungen um eine Nachfolgeregelung für den 2003 auslaufenden Transitvertrag, die Verkehrsminister Mathias Reichhold nun mit einer Vetodrohung gegen die Erweiterung verknüpft, lassen einen zentralen Aspekt außer Acht: Die kommende Verkehrslawine auf Österreichs Straßen ist großteils hausgemacht.Eine für das Verkehrsministerium erstellte Prognose sagt - wie die Grafik darstellt - bis zum Jahr 2015 einen Anstieg des Güterverkehrs auf Österreichs Straßen um 50 Prozent voraus. Der Transitverkehr soll dabei um 89 Prozent, der Osttransit sogar um 141 Prozent steigen. Doch in absoluten Zahlen verliert die Transitproblematik an Brisanz. Transit macht nur elf Prozent des gesamten Straßengüteraufkommens aus, der Rest entfällt auf innerstaatlichen Verkehr sowie Einfuhren nach und Ausfuhren aus Österreich. (Bei gefahrenen Tonnenkilometern ist der Transitanteil mit 20 Prozent etwas höher.) Weil die Basis klein ist, dürften nur 20 Prozent des erwarteten Anstieges im Güterverkehr durch den Transit verursacht werden und gar nur acht Prozent durch den Osttransit. 80 Prozent sind die Folge eines ebenfalls steigenden Lkw-Verkehrs im Dienste österreichischer Unternehmen und Verbraucher (siehe Grafik). Das Transitproblem ist geografisch konzentriert: In Tirol hat ist der Transitanteil rund dreimal so hoch wie im übrigen Bundesgebiet. Aber auch im Inntal sind genügend österreichische Laster unterwegs und tragen lautstark zur Verkehrsbelastung bei. Und am Widerstand der heimischen Frächterlobby sind bisher Versuche gescheitert, eine EU- konforme Einschränkung des Güterverkehrs zu erzielen. Die Union hat nämlich entgegen der üblichen Antitransitrhetorik nichts gegen verkehrspolitische Steuerungsmaßnahmen wie Maut und Roadpricing, solange sie nicht diskriminierend wirken. Aus der Logik des Binnenmarktes ergibt sich, dass innereuropäischer Verkehr gegenüber dem innerösterreichischen Verkehr nicht schlechter gestellt werden darf. Als Verkehrsminister Caspar Einem 1998 mit der EU-Kommission eine Lösung für den Brenner aushandelte, bei der die erhöhte Maut beibehalten, aber die Mautstrecke auf das Unterinntal verlängert werden würde, brachte die Tiroler Landesregierung diesen Kompromiss zu Fall, weil dann auch Tiroler verstärkt zur Kasse gebeten worden wären. Die finanziellen Interessen der Frächter waren ihr wichtiger als die Belastung der Brenner-Anrainer. Die Folge war, dass der Europäischen Gerichtshof eine Senkung der Brennermaut erzwang. Seither hat das ständige Hetzen gegen den europäischen Transit in Tirol - und seit dem blauen Regierungsbeitritt auch in Wien - bei den Verhandlungspartnern in Europa deutlich an Glaubwürdigkeit verloren. Die Ostöffnung hat für die sensiblen Alpenstrecken und den Großteil des Bundesgebietes keine Bedeutung. Nur acht Prozent des Verkehrswachstums bis 2015 werden vom Osttransit verursacht werden. Wenn nach der Erweiterung auf manchen ostösterreichischen Strecken ein Verkehrskollaps droht, ist daran vor allem der mangelhafte Ausbau des Straßennetzes zu den Reformstaaten in den vergangenen zwölf Jahren schuld. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2002)