Wien - Das Justizministerium empfiehlt den Oberstaatsanwaltschaften "mit Paragraf 209 Strafgesetzbuch innezuhalten und keine vorwiegend auf Paragraf 209 Strafgesetzbuch gestützte Untersuchungshaft zu beantragen". Das gab das Ministerium Dienstag Nachmittag in einer Aussendung bekannt. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte gestern, Montag, seine Entscheidung, diesen so genannten Homosexuellen-Paragrafen aufzuheben, publik gemacht. Allerdings ist in dem Erkenntnis für das Außerkrafttreten eine Frist bis 28. Februar 2003 vorgesehen. Die an die Oberstaatsanwaltschaften verfasste Mitteilung solle die staatsanwaltschaftlichen Behörden auf die Problematik in der Zeit bis zum Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Regelung aufmerksam machen, heißt es in der Aussendung. Laut Justizressort befindet sich in Österreich niemand ausschließlich wegen eines Verstoßes gegen Paragraf 209 in Untersuchungshaft. Es gebe auch nur einen einzigen Fall, in dem sich jemand nur wegen einer Verurteilung nach Paragraf 209 in Strafhaft befindet. Dabei handle es sich jedoch um keine Fallkonstellation, auf die der VfGH in seiner Begründung abgezielt habe. Der VfGH ziehe nämlich das den einschlägigen Normen des Sexualstrafrechts zu Grunde liegende Schutzziel Kinder und Jugendliche vor frühzeitigen, vom Gesetzgeber als für die Entwicklung schädlich angesehenen (hetero - und homo) sexuellen Kontakten sowie vor sexueller Ausbeutung zu bewahren, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht in Zweifel, wird im Ministerium festgehalten. Der Grund für die Aufhebung sei lediglich im gesetzlich nicht geregelten Altersunterschied zwischen dem Täter und dem Opfer und in der wechselnden Abfolge von Straflosigkeit und Strafbarkeit gesehen worden. So sei derzeit zum Beispiel die Beziehung eines 18-Jährigen zu einem 16-Jährigen straflos, ein Jahr später jedoch strafbar, weil dann der Ältere das 19. Lebensjahr bereits vollendet hat, der Jüngere aber noch nicht das 18.. Wieder ein Jahr später sei nach der derzeitigen Gesetzeslage die Beziehung wieder straflos, weil der Jüngere dann das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat. Da das VfGH-Erkenntnis auf bereits rechtskräftige Verurteilungen keine Wirkung entfalte, komme derzeit lediglich die Einbringung eines Gnadenantrages in Frage. "Diesem wäre jedenfalls dann näher zutreten, wenn es sich um einen vom Verfassungsgerichtshof für die Begründung seiner Entscheidung maßgeblichen Fall" handle, heißt es in der Aussendung. (APA)