Ein Imam und ein Rabbiner, die in Zeiten des Nahostkriegs und einer entsprechend aufgeheizten Stimmung gemeinsam vor Schulklassen stehen: Dieses Engagement gegen Antisemitismus und für ein friedliches Zusammenleben in der von Einwanderung geprägten österreichischen Gesellschaft wird kommenden Dienstag ausgezeichnet.

Imam Ramazan Demir und Rabbiner Schlomo Hofmeister.
Bemühen sich vor Schulklassen gemeinsam um Aufklärung und gehen gegen Vorurteile an: Imam Ramazan Demir und Rabbiner Schlomo Hofmeister.
Foto: SOS Mitmensch

Unter dem Ehrenschutz von Bundespräsident Alexander Van der Bellen erhalten Imam Ramazan Demir und Rabbiner Schlomo Hofmeister einen von zwei Ute-Bock-Preisen für Zivilcourage 2024. Die Auszeichnung wird von der NGO SOS Mitmensch alljährlich verliehen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Preis Nummer zwei geht an den von der Kardiologin Christine Scholten und der Leiterin des Grätzl-Zentrums am Wiener Schöpfwerk, Renate Schnee, vor zehn Jahren gegründeten Verein "Nachbarinnen", der Migrantinnen auf dem Weg zu Autonomie und Selbstständigkeit unterstützt. Konkret suchen Frauen mit Fluchterfahrung isoliert Lebende aus den eigenen Communitys auf und animieren sie zur Selbsthilfe.

Die Preise sind mit insgesamt 3000 Euro dotiert. Die Preisreden bei der feierlichen Überreichung am kommenden Dienstag ab 19 Uhr im Wiener Rathaus werden Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser und Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky halten.

Gegen scheinbar einfache Lösungen

In der Jurybegründung streicht Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, das couragierte Auftreten von Demir und Hofmeister gegen Vorurteile heraus: "Die Aufklärungsarbeit der beiden religiösen Funktionsträger kann in der aktuellen Zeit, die oftmals von großer Polarisierung geprägt ist, gar nicht hoch genug geschätzt werden."

Auch in den Communitys bei beiden gebe es "für verbindende Aktivitäten nicht immer nur Rückenwind". Doch die "Popularität von Zuspitzungen und scheinbar einfachen Lösungen" stehe im Gegensatz zur Realität. Diese – so Pollak – erfordere vielmehr "konsequentes Aufklären, Aufeinanderzugehen, Dialog und durchdachte Ansätze".

"Professionelle Ausdauer", um Frauen zu helfen

Das "Nachbarinnen"-Projekt wiederum habe in den zehn Jahren seines Bestehens große Beharrlichkeit bewiesen, betont die Geschäftsführerin von SOS Mitmensch, Gerlinde Affenzeller. Bis dato habe der Verein rund 4000 Familien nachhaltig betreut. Die Frauen könnten in der eigenen Nähwerkstätte arbeiten, Kinder erhielten Nachhilfe. "Auszeichnungswürdig ist nicht nur die Idee, so ein Projekt zu initiieren und umzusetzen, sondern großartig ist auch die professionelle Ausdauer", mit der das Team dieses Vereins arbeite.

Frauen vom Verein
"Nachbarinnen"-Initiatorin Christine Scholten (Zweite von links) im Kreis ihrer Mitarbeiterinnen.
Foto: SOS Mitmensch

Auszeichnungen seit 1999

Der Ute-Bock-Preis wurde 1999 von SOS Mitmensch ins Leben gerufen, um Zivilcourage auszuzeichnen und entsprechend handelnden Personen und Initiativen Rückhalt zu geben. Erste Preisträgerin war die Flüchtlingshelferin Ute Bock, ihr folgten Gertrude Hennefeld, Vinzipfarrer Wolfgang Pucher, der Sozialarbeiter Bülent Öztoplu und viele andere. Vergangenes Jahr wurden die Gruppe IG24, die sich für die Rechte von 24-Stunden-Betreuerinnen einsetzt, sowie die Initiative Queer Base, die LGBTQI-Personen auf der Flucht unterstützt, ausgezeichnet. (Irene Brickner, 16.5.2024)