Die Hauptversammlung der OMV am Mittwoch versprach Spannung. Etliche Themen beschäftigen den größten Industriekonzern des Landes derzeit - und haben mit Personalia und wichtigen Strategieentscheidungen zu tun. 

Um punkt zehn Uhr ging es dann los, nachdem der Saal der Messe Wien zunächst mit Werbung des Industriekonzerns und später mit Sicherheitshinweisen beschallt worden war. Allerdings begann es anders als geplant: "Richtig gut! 5,2 Milliarden Gewinne! Danke an alle Menschen da draußen, die erhöhte Energiepreise zahlen müssen, die kaum ihre Energiekosten bezahlen können, und wir hier profitieren davon!", rief ein Aktivist.

Greenpeace-Proteste gegen OMV
Die Hauptversammlung der OMV geht nicht ohne Proteste über die Bühne.
STANDARD7Renate Graber

Proteste

Eine Aktivistin stieg in den Protest ein: "Wer profitiert davon?“ Ein paar Pfiffe waren zu hören, ein Teilnehmer rief: "Wo ist die Polizei?" Der Vorstand auf dem Podium hörte zu, bis Aufsichtsratschef Mark Garrett die Protestanten bat, Platz zu nehmen, sie hätten die Möglichkeit, in der Debatte etwas zu sagen. "Nehmen Sie bitte Platz, einfach hinsetzen, Sie kriegen Ihre zehn Minuten wie alle anderen Shareholders", so der Aufsichtsratschef. Die Protestanten setzten sich, der Aufsichtsratschef dankte.

Anschließend begrüßte Garrett die Aktionärinnen und Aktionäre und lud für 12 Uhr zu einer Stärkung per Mittagessen ein. Davor gab Garrett, der aus dem Kontrollgremium ausscheiden wird, einen kurzen Rückblick auf die Ereignisse - doch als er das Management lobte, standen ein Aktivist und eine Aktivistin auf, hielten ein Plakat "OMV enteignen" in die Höhe und skandierten ihre Forderung. "Raus!", riefen Aktionäre. "OMV enteignen", forderten hingegen die Aktivisten.

Fortsetzung des Aktionärstreffens

Der Aufsichtsrat bat um Ruhe, die Aktivisten setzten ihren Protest noch ein paar Minuten fort, um dann den Saal zu verlassen, von einem Wienerischen "Geht's oarbeiten!" eines Aktionärs begleitet.

Es tue ihm leid, aber es könne ab und zu zu solchen Störungen kommen, entschuldigte sich der Aufsichtsratschef, dem laut seiner Anmerkung empfohlen worden war, er solle "so etwas" über sich ergehen lassen.

Seeles Entlastung

Welche Themen werden bei der Hauptversammlung des österreichischen Industriekonzerns besonders spannend?

Es steht zum Beispiel die Entlastung des früheren OMV-Vorstandschefs Rainer Seele an - die ihm bei der vorigen Aktionärsversammlung im Juni 2022 verweigert worden ist. Gründe dafür waren die vorzeitige Verlängerung der Gaslieferverträge mit Gazprom im Jahr 2018 bis 2040, das OMV-Sponsoring für Wladimir Putins Lieblingsklub Zenit St. Petersburg sowie die in einem Sideletter vereinbarte Zahlung an einen früheren OMV-Compliance-Manager gewesen.

Ex-OMV-Chef Rainer Seele.
Rainer Seele bei einem Termin in St. Petersburg im Juni 2021.
REUTERS

Inzwischen hat der Aufsichtsrat all diese Punkte prüfen lassen, die Juristen rieten von einer Schadenersatzklage ab. Seele habe zwar einen nachlässigen Umgang mit der Compliance gepflogen, so die Anwälte sinngemäß, aber keine rechtlichen Grenzen überschritten. Seele wird daher nun wohl seine Entlastung bekommen - und in der Folge seine langfristigen Boni.

Adnoc und Borealis

Viel Raum wird wohl auch das Thema Borealis einnehmen. Die OMV ist mit 75 Prozent am Kunststoffkonzern beteiligt, Adnoc aus Abu Dhabi hält den Rest und ist mit den Österreichern in einem Syndikatsvertrag verbunden. Borealis spielt eine Hauptrolle für die künftige Ausrichtung der OMV in Richtung Kunststoffkonzern. Zuletzt wurden Gerüchte laut, Adnoc wolle die OMV-Anteile übernehmen. Was auf wenig Gegenliebe in Österreich stieß. Aus der von Alfred Stern geleiteten OMV ist allerdings zu hören, ein Borealis-Verkauf stehe nicht zur Debatte.

Zur Erinnerung: Die OMV hat 2020 weitere Borealis-Anteile von OMV-Mitaktionär Mubadala aus Abu Dhbai gekauft, die Aufstockung auf 75 Prozent kostete sie mehr als vier Milliarden Euro – der größte Deal in der neueren österreichischen Wirtschaftsgeschichte.

Nun soll es freilich nicht um einen Rückverkauf an Adnoc gehen, sondern darum, die Kräfte und Anteile auf allen Ebenen, auf denen die Österreicher mit Adnoc kooperieren, zu bündeln und in eine gemeinsame Gesellschaft einzubringen. Das würde Wachstum und Strategie gleichermaßen dienen, wie es aus dem OMV-Umfeld heißt.

Adnoc und die OMV sind ja - über die Borealis - auch am Joint-Venture Borouge gemeinsam beteiligt, das Polyolefinlösungen u.a. für Landwirtschaft, Infrastruktur, Energie und Verpackungen anbietet. Wobei an dieser Gesellschaft wohl nicht die teilstaatliche OMV (31,5 Prozent hält die Öbag, 24,9 Prozent Mubadala aus Abu Dhabi) die Mehrheit halten würde.

OMV-Chef Alfred Stern.
Alfred Stern leitet seit 2021 die OMV. Einer Verlängerung über 2024 hinaus steht vonseiten der Politik und des Aktionärs Adnoc wohl nichts im Wege.
STANDARD/Heribert Corn

Sterns Zukunft

Ein weiterer Punkt, der wohl auch in der Hauptversammlung thematisiert werden wird, ist die mögliche Verlängerung von Stern. Sein Dreijahresvertrag läuft bis September 2024 und wird um weitere zwei Jahre verlängert, außer man beruft ihn ab. Stern ist nicht unumstritten, vor allem wollen dem Vernehmen nach Ex-OMV-Chef Seele, der nun wie Exvorstandsmitglied Johann Pleininger in Abu Dhabi berät, und Öbag-Aufsichtsratschef Günther Ofner (ÖVP-nahe) lieber Borealis-Chef Thomas Gangl an der OMV-Spitze sehen.

Allerdings wird die Besetzung nicht von der Öbag entschieden. Finanzminister Magnus Brunner, Kanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) und auch Adnoc sollen mit Sterns Performance zufrieden sein. Man wolle Kontinuität an der Spitze, hört man. Zu erwarten ist aber sowieso, dass die Entscheidung erst im Sommer fällt: OMV-Aufsichtsratsvorsitzender Mark Garrett hat seinen Rückzug angekündigt, und es ist nicht anzunehmen, dass man seinen designierten Nachfolger, den Deutschen Lutz Feldmann vom Energieversorger EnBW, vor vollendete Tatsachen stellt. (Renate Graber, Lukas Kapeller, 31.5.2023)