Die Zentrale der OMV nahe dem Wiener Prater.

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Ende Mai ist es wieder so weit. Hunderte Aktionäre und Aktionärinnen der OMV werden in die Messe Wien pilgern. Für den Vorstand praktisch: Die Zentrale des Öl-, Gas- und Chemiekonzerns ist nur einen Steinwurf vom Messegelände entfernt. Vorstandschef Alfred Stern wird das Geschäftsjahr Revue passieren lassen, auf Rekordgewinne verweisen, die der Höhenflug der Öl-, Gas- und Kunststoffpreise ermöglicht hat, und er wird einen Ausblick auf 2023 wagen.

Auch der angekündigte Wechsel an der Aufsichtsratsspitze von Mark Garret zu Lutz Feldmann wird mit Zustimmung der Mehrheitsaktionäre, der Beteiligungsholding Öbag (31,5 Prozent) und der Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc; 24,8 Prozent) formalisiert werden. Und – es wird auch um die Entlastung von Rainer Seele gehen, den Vorgänger von Stern an der Spitze der OMV.

Rainer Seele stand von Mitte 2015 bis Frühherbst 2021 an der Spitze der OMV.
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Vergangenes Jahr wurde dem deutschen Manager die Entlastung versagt. Orchestriert wurde das Ganze von Garrett. Der Ex-Chef der OMV-Tochter Borealis verließ das Unternehmen während Seeles CEO-Zeit. Um zu neuen Ufern aufzubrechen, wie er angab. Weil Abu Dhabi sich gegen eine Vertragsverlängerung quergelegt habe, wie Insider behaupten.

Dienstreisen mit Jet

Garrett kehrte als Aufsichtsratschef in die OMV zurück, gerufen vom früheren Öbag-Chef Thomas Schmid, und er machte Seele das Leben schwer. Bei der Nichtentlastung spielten auch Reisen mit einem Bedarfsflugunternehmen eine Rolle.

Mark Garrett, früher Chef der OMV-Kunststofftochter Borealis, kam auf Wunsch von Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid als Aufsichtsratspräsident in den Konzern zurück und machte Seele das Leben schwer.
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Dass in einem international tätigen Unternehmen viel geflogen wird, ist normal. Handelt es sich um die OMV mit Aktivitäten in vielen Teilen der Welt, gilt das erst recht. Dass bei einem so großen Aktionsradius nicht nur Linie geflogen wird, versteht sich von selbst. Bedarfsflieger sind flexibler einsetzbar. Ungewöhnlich ist, wenn ein Auftrag, der 300 Flugstunden pro Jahr mit entsprechend hohem Gegenwert umfasst, freihändig vergeben wird. Das scheint bei der Geschäftsbeziehung zwischen OMV und Jetfly im Lauf der Jahre der Fall gewesen zu sein.

Gewesen deshalb, weil es die Geschäftsbeziehung, die fast 15 Jahre währte, nicht mehr gibt. Der mehrmals verlängerte Dienstleistungsvertrag ist unter Ex-OMV-Chef Seele ausgelaufen. Seele kam im Sommer 2015 als Roiss-Nachfolger ins Unternehmen.

Was machte Roiss?

Interessant ist der Vertrag allemal. Eingefädelt habe ihn nämlich Roiss, wird von Insidern kolportiert. Der aus Linz stammende Manager habe ein freundschaftliches Verhältnis zum Gründer der Bedarfsfluglinie, dem Linzer Unternehmer Karl Kletzmaier, gepflegt. Roiss stieg 1997 in die Führungsetage der OMV auf, war ab 2002 auch Vizechef des Konzerns und ab April 2011, nach dem Abgang von Wolfgang Ruttenstorfer als CEO, bis Juni 2015 Vorstandsvorsitzender der OMV.

Gerhard Roiss, Ex-Chef der OMV, soll das Bedarfsflugunternehmen Jetfly gepusht haben. Er bestreitet jegliche Einflussnahme.
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Dokumentiert sind Flüge mit Jetfly seit 2005. In entsprechende Verträge konnte DER STANDARD Einblick nehmen. Möglicherweise sind in den Jahren davor schon Dienste von Jetfly in Anspruch genommen worden, sagen Insider. 2009 – Roiss war stellvertretender Vorstandsvorsitzender – gab es "eine Änderung des Rahmenkontraktes (...) über Anmietung von Business-Jets für den OMV-Konzern". Es wurde eine Verlängerung um drei Jahre beschlossen, inklusive Mindestabnahme von 300 Blockstunden – take or pay. Das heißt, die Flüge waren jedenfalls zu bezahlen, auch im Fall, dass man sie nicht abgerufen hätte.

Zwischen 2010 und 2015 wurden jeweils 300 Stunden aus dem Kontingent abgeflogen, zu Kosten von rund 1,4 Millionen Euro pro Jahr. Von 2016 bis 2019, also in der Ära Seele, der den Vertrag geerbt hatte, sanken die Kosten auf rund 300.000 Euro pro Jahr.

Die Zahl der vereinbarten Flugstunden ist in der ersten Jahreshälfte 2015 noch unter Roiss reduziert worden – von 300 auf 250. Diese wurden in der Folge von Seele und anderen Vorstandsmitgliedern verflogen, zumal sie – take or pay – ohnehin zu zahlen waren. Zumindest einmal war bei einem Tunis-Flug im August 2017 auch eine Betriebsrätin mit an Bord.

"Nichts unterschrieben"

Der Ex-OMV-Chef streitet ab, Einfluss auf den Vergabeprozess ausgeübt zu haben. "Dr. Roiss hat weder Verhandlungen geführt noch entsprechende Verträge unterschrieben", teilte sein Rechtsbeistand auf STANDARD-Anfrage mit. Jetfly sei als günstigster Anbieter aus der 2005 durchgeführten Ausschreibung hervorgegangen, in puncto Flexibilität bezüglich Stornierungen und Änderungen vorn gelegen und auch vom Sicherheitsstandpunkt erstgereiht gewesen. Ausschreibungen habe es in den Folgejahren nicht gegeben, es seien aber periodische Preis- und Marktanalysen durchgeführt worden mit dem Ergebnis, dass Jetfly bei den Kriterien Preis, Flexibilität und Sicherheit "immer Bestbieter war".

Jetfly hat inzwischen neue Eigentümer. Pierer Industrie, Palfinger und die FSS Vermögensverwaltung haben die auf Bedarfsflüge spezialisierte Fluggesellschaft 2021 gekauft.

(Günther Strobl, 19.5.2023)