58 Milliarden Euro. Diese Summe brachten ausländische Touristinnen und Touristen allein 2022 nach Frankreich. Das geht aus den offiziellen Zahlen der französischen Tourismusagentur Atout France hervor. Kaum ein anderes europäisches Land konnte dies im vergangenen Jahr toppen. Eigentlich ein gutes Zeichen. Und dennoch blicken die Franzosen mit wachsender Sorge auf die steigende Besucherzahl. Das hässliche Wort Overtourism geistert herum. Betroffen davon sind insbesondere Großstädte, allen voran Paris, und andere beliebte touristische Hotspots.

Besucherinnen und Besucher auf dem Weg zum Mont-Saint-Michel: Die französische Regierung hat im Juni einen Plan zur Regulierung der Besucherströme vorgestellt.
Besucherinnen und Besucher auf dem Weg zum Mont-Saint-Michel: Die französische Regierung hat im Juni einen Plan zur Regulierung der Besucherströme vorgestellt.
APA/AFP/CHARLY TRIBALLEAU

Um dieser Herausforderung zu begegnen, hat Frankreich eine neue Strategie entwickelt, um die negativen Auswirkungen, die die Massen mit sich bringen, einzudämmen. Am 18. Juni stellte Tourismusministerin Olivia Gregoire einen Plan vor, mit dem die Besucherströme an beliebten Orten reguliert werden sollen. Demnach soll eine nationale Beobachtungsstelle für die wichtigsten touristischen Stätten eingerichtet, Besucherströme und deren Auswirkungen auf die Einheimischen gemessen werden. Zudem wolle man Touristen und Einheimische sensibilisieren, heißt es. "Es ist Aufgabe der Regierung, in Zusammenarbeit mit den regionalen Behörden und den Fremdenverkehrsämtern Maßnahmen zur Information von Touristen und Einheimischen zu ergreifen, um den Andrang zu bewältigen", twitterte Olivia Gregoire.

Als weltweit führendes Reiseziel steht Frankreich vor der dringenden Notwendigkeit, den Zustrom von Besuchern in der Hochsaison besser zu steuern. Dieser Zustrom stelle eine Bedrohung für die Umwelt, die Lebensqualität der Einheimischen und das allgemeine Besuchererlebnis dar. Eine Beobachtung, die man nicht nur in Frankreich macht, seit der internationale Reiseverkehr nach der Pandemie wieder zunimmt.

Weltweit ein Thema

Viele berühmte französische Sehenswürdigkeiten, darunter die Abtei Mont-Saint-Michel in der Normandie, berichten, dass sie mit der schieren Zahl der Touristen überfordert sind. Etretat zum Beispiel hat nur 1.200 Einwohner, aber der berühmte Strand am Ärmelkanal, der durch die Netflix-Serie "Lupin" bekannt wurde, wird in der Hochsaison täglich von bis zu 10.000 Touristinnen und Touristen besucht, wie Euronews berichtet. Schon werden Stimmen laut, die Sorgen um den Erhalt der Naturdenkmäler äußern: "Dieser enorme Zustrom führt dazu, dass die Klippen zertrampelt werden und die Strandklippen gefährdet sind", warnt Shai Mallet, Co-Vorsitzender von Etretat Tomorrow, einer Vereinigung der Einwohner der Region.

Strandbesucher an der Küste von Etretat im Nordwesten Frankreichs. Touristen bringen zwar viel Geld ins Land, schädigen aber auch die Umwelt.
Strandbesucher an der Küste von Etretat im Nordwesten Frankreichs. Touristen bringen zwar viel Geld ins Land, schädigen aber auch die Umwelt.
APA/AFP/CHARLY TRIBALLEAU

Ein entscheidender Aspekt der neuen französischen Strategie zur Bekämpfung des Overtourism ist die Begrenzung der Besucherzahlen an beliebten Orten. So wird beispielsweise die Zahl der Tagesbesucher auf der malerischen Insel Brehat in der Bretagne in den Hochsommermonaten auf 4.700 begrenzt. Außerdem wird der Nationalpark Calanques in der Nähe von Marseille ein während der Corona-Krise eingerichtetes, kostenloses Reservierungssystem für den Besuch der Sugiton-Buchten beibehalten. Es soll eine bessere Kontrolle der Besucherzahlen gewährleisten. Täglich werden nur 400 Personen zugelassen, vor der Pandemie kamen pro Tag bis zu 2.500 Besucherinnen und Besucher.

Touristenströme besser steuern

"Es gibt kein Patentrezept für jede Region, aber wenn man weiß, wer zu welchen Zeiten kommt, kann man lokale Marketingstrategien anwenden – zum Beispiel keine Werbung während der Hochsaison – oder Preisstrategien, die die Menschen in der Umgebung dazu ermutigen, in der Nebensaison zu kommen", wird Simon Thirot von der Beratergruppe Eurogroup Consulting im Online-Magazin "Travel Demain" zitiert.

Es würden Anstrengungen unternommen, um mehr Daten zu sammeln. Damit wolle man gefährdete Orte identifizieren und wirksame Strategien zur Steuerung der Touristenströme entwickeln, wie Olivia Gregoire erklärte: "Frankreich ist das wichtigste Reiseziel der Welt, aber wir haben einen großen Mangel an Daten." Um diesen zu beheben, plant die Regierung die Einrichtung einer Überwachungsgruppe für die Branche, die mit regionalen Beamten und Touristenorten zusammenarbeiten soll, um fundierte Maßnahmen zu entwickeln und sowohl Touristen als auch Einheimische zu informieren.

Die Tourismusministerin zieht mehrere Möglichkeiten in Betracht, das Problem anzugehen. Eine wäre, "Influencer" in den sozialen Netzwerken über die Folgen des Overtourism berichten zu lassen und so zu sensibilisieren und zu motivieren, eher Orte abseits der ausgetretenen Pfade zu besuchen. Um die Kosten für die Beherbergung einer großen Anzahl von Touristen zu bewältigen, denken Gemeinden über die Einführung höherer Beherbergungssteuern oder Zugangsgebühren nach. Diese Einnahmen könnten für die Erhaltung empfindlicher Gebiete und der Artenvielfalt verwendet werden, die durch den Tourismus erheblich beeinträchtigt wurden. "Wir müssen empfindliche Gebiete schützen, denn wir haben in 25 Jahren 30 Prozent unserer Artenvielfalt verloren", warnte Didier Arino, Leiter des französischen Beratungsnetzwerks Protourisme. (max, 5.7.2023)