Eine Studie über die Werbepraxis bei Google ruft Walter Zinggl auf den Plan. Zinggl ist Präsident der EGTA, der Vereinigung aller europäischen- TV und Hörfunkvermarkter und Sprecher der Vermarkterinitiative Screenforce. "Da stinkt's", sagt der Geschäftsführer der RTL-Vermarktung IP Österreich im Gespräch mit dem STANDARD. Er sieht Googles Werbevermarktung entblättert wie der Monarch in "des Kaisers neue Kleider".

Walter Zinggl
"Google ist zu groß und muss zerlegt werden", sagt Walter Zinggl, Präsident des europäischen TV- und Radio-Werbevermarkterverbands EGTA.
APA Katharina Schiffl

Studie sieht Täuschung

Die in der Branche Aufsehen erregende Studie von Adalytics will aufzeigen, dass Google Werbekunden über Jahre über die Platzierung von sogenannter True-View-Videowerbung getäuscht habe. Der Vorwurf: Werbespots seien online auf Seiten und Apps klein, tonlos, außerhalb von Videostreams, im Autoplay-Modus oder als Werbeunterbrecher ausgespielt worden. Google verspreche indes Verrechnung allein für tatsächliche Views der gebuchten Werbung.

Google weist Vorwürfte zurück

Google bezeichnete die Studie als falsch und ungenau. Vor wenigen Tagen ergänzte Google seine Reaktion via Blogpost. Man habe Gespräche mit Kunden geführt, die Vorwürfe geprüft, auch anhand der Daten von Drittanbietern. Der Konzern wirft der Studie fehlerhafte Methodik vor, die zu fehlerhaften Ergebnissen geführt habe. Die Behauptung, bis zu 80 Prozent der Werbeplatzierungen über Google Video Partners (GVP) würden nicht Googles eigenen Werbestandards entsprechen, sei falsch, ließ der Konzern etwa verlauten. Die Werbeanalysefirma Doubleverify bezeichne 93 Prozent des Werbeinventars als sichtbar und 78 Prozent als hörbar, heißt es in dem Google-Blogpost. Der Konzern erklärt: Nur weil eine Anzeige ausgespielt werde, heiße das noch nicht, dass Google sie auch verrechne. Was nicht den Standards entsprechend ausgespielt werde, werde auch nicht verrechnet.

"Falsches Verständnis von Brand-Safety"

"Das ist eine sehr eigenartige Definition von Brand-Safety" – also von sicheren Werbeumfeldern für Marken, findet Screenforce-Sprecher Walter Zinggl im Gespräch mit dem STANDARD. Zinggl verweist zum Vergleich auf Plakatwerbeverbote für bestimmte Produkte in der Nähe von Schulen. Die Argumentation von Google komme einer Plakatierung gegen das Werbeverbot gleich, die man damit rechtfertigt, dass man für diese Platzierung ja nichts verrechne. "Das ist ein völlig falsches Verständnis von Brand-Safety", wettert Zinggl. Er stellt auch die Unabhängigkeit von Drittanbietern von Google infrage, die der Konzern gegen die Studie in Stellung bringt.

Die Studie wirft für den Vermarkter ein Schlaglicht auf die Situation: Wenn Werbetreibende, Agenturen und Verantwortliche am Trading-Desk sich permanent auf Tausendkontaktpreise unter einem bestimmten, geringstmöglichen Wert fokussierten: "Dann führt das logischerweise dazu, dass das bei seriösen Medien nicht mehr einkaufbar ist", sagt Zinggl: "Dann landest du mit deinen Sujets und Spots in Umfeldern, die keiner kennt, was aber auch keiner merkt, nur um ein Leistungsziel zu erreichen."

"Gegen jeden Zweck von Kommunikation"

Dieses Buchungsverhalten aber, sagt der langjährige Kenner der österreichischen und internationalen Werbebranche, "geht gegen jeden Zweck von kommerzieller Kommunikation. Ihr Ziel ist doch, eine Botschaft an eine ausgewählte Zielgruppe zu transportieren und dort eine Aktion auszulösen."

Google verspreche, genau zu wissen, an wen man Werbung ausspielt – und ebenso zielgenau zu verrechnen. Die Studie entkleide diese Versprechen wie "des Kaisers neue Kleider", sagt Zinggl. Werbebuchung bei Google sei "einfach eine Blackbox", ein "walled garden", nicht nur umzäunt, sondern ummauert, und damit nicht einsehbar, sagt der Vermarkter. "Was hinter der Mauer passiert, weiß niemand. Und was der Konzern herausgibt, kannst du nicht überprüfen."

"Google ist zu groß und muss zerlegt werden"

Wie Werbung hier performe, lasse sich letztendlich nicht unabhängig vom Anbieter verifzieren, sagt Zinggl – im Gegensatz zu zugänglichen Branchenstudien wie Teletest oder Media-Analyse. "Bei all meinem Vertrauen in die Moral der Menschheit und in wirtschaftlich sauberes Agieren von Unternehmen" brauche es unabhängige Kontrollmöglichkeiten.

Inzwischen sei in Washington und Brüssel "klar geworden, dass Alphabet mit Google und Youtube eine Größenordnung erreicht hat, dass sie sämtliche Marktwirksamkeiten allein durch ihre schiere Größe außer Kraft setzen können". Europäische Verleger haben 2022 bei der EU-Kommission Beschwerde eingelegt gegen die Marktbeherrschung von Google auf praktisch allen Ebenen der Werbevermarktung.

Zinggls Schluss: "Google ist zu groß und muss zerlegt werden, in kleinere, besser kontrollierbare und transparenter agierende Teile." Der Konzern müsse "beginnen, sein ureigenstes Geschäft solider, professioneller, ehrlicher und vielleicht sogar transparenter" auszuüben. (fid, 17.6.2023)