Im Community-Artikel schreibt Christine Gasser-Schuchter über die Unmöglichkeit, die Sommerferien mit dem Arbeitsalltag zu vereinen.

Sommerferien sind nicht toll. Also es gibt schon auch ein paar wirklich schöne Momente. Zum Beispiel im Urlaub viel schwimmen zu gehen und natürlich auch ein entspannter Spieleabend, wenn alle wohlgenährt und frisch geduscht um den Tisch sitzen. Oder auch die Teilnahme an einem Ferienspielangebot der Stadt. Für zwei Stunden Schaffnerin oder Schaffner sein zu dürfen oder an einer Rapid-Stadion-Führung teilzunehmen als gemeinsame Eltern-Kind-Zeit ist spannend und schön.

Organisation hoch drei

Aber es gibt auch ganz viel andere Zeit, die für Eltern von Schulkindern darin besteht, das als Erholung erleben zu müssen, was de facto Koordinations- und Organisationsarbeit hoch drei ist. Wer während des Schuljahres schon fast ins Burnout des Pausebrotschmierens geschlittert ist, darf in Österreich dann zu allem Glück sich für neun (!) Sommerwochen ein ausgeklügeltes und nicht selten kostspieliges Programm für die Kids überlegen, das in allem gut für die Kinder sein kann, aber jedenfalls keine Erholung für die Eltern bietet.

Kalender mit Pins in diversen Tagen
Eltern müssen für den Sommer diverse Freizeitprogramme für ihre Kinder überlegen – das benötigt neben umfangreicher Koordinationsarbeit oft auch Ressourcen, die vielen nicht zur Verfügung stehen.
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Da fahren wir dann in aller Früh ans andere Ende der Stadt, weil da gab es entweder den letzten Camp-Platz oder den einen speziellen Roboter-Workshop, der es unbedingt sein musste. Zur CO2-Bilanz sage ich mal nichts. Klar gibt es auch den Joker der elterlichen Zwangsbeglückung: "Okay, das ist nicht das Camp, das du wolltest, aber es wird dir schon gefallen, wirst sehen. Da sind gaaanz viele andere Kinder auch da." Als ob das ein Argument für irgendwas wäre.

Campfreie Zeit

Für die campfreien Wochen sprechen wir uns traditionell im Vorfeld mit zig Eltern ab, um zu checken, wer wann wie auf Urlaub fährt und mit wem man sich zur abwechslungsweisen Betreuung zusammen tun kann. Das ist übrigens Mental Load der Supergüte: Wer wann wo das Kind übernimmt und falls das nicht klappt, mit wem sonst er oder sie den Tag verbringen kann und was genau dann machen, muss was gepackt werden und geht sich das mit der Abholzeit vom jüngeren Kind aus? Unsere Schulkinderfreunde und Schulkinderfreundinnen wissen daher oft besser über unseren Urlaub Bescheid als wir selbst! Im schlechtesten Fall sind übrigens alle besten Freunde exakt zu anderen Zeiten auf Urlaub und dann ist die Kooperationswilligkeit des Kindes gefragt, sich begeistert der Stillarbeit neben dem Schreibtisch hinzuwenden.

Neun unendlich lange Wochen

Wer hat sich dieses doofe System von neun Wochen Sommerferien bloß ausgedacht? Angeblich war mal der Grund der Umstand, dass viele Kinder im Sommer in der häuslichen Landwirtschaft mitarbeiten mussten. Doch welches Kind muss heute noch sommerweise das Heu für die Tiere im Winter einsammeln? Praktisch, dass die eh schon ständig überarbeiteten Eltern keine Zeit zum Aufmucken haben. Sie sitzen stattdessen im März wie panisch vor ihrem Laptop, sobald die ersten Sommercamps freigeschaltet werden oder nehmen teure Restplätze. Und dann betteln sie für weitere Wochen noch die Großeltern an, dass sie mit übernehmen. Gewinnerinnen und Gewinner in dem Spiel sind die mit viel Ressourcen: entweder die mit viel Geld oder die mit viel Großeltern-Zeit.

Gesellschaftliche Mitverantwortung

Warum schreibe ich das alles? Weil ich endlich will, dass die Gesellschaft Verantwortung für die nächste Generation übernimmt. Man kann nicht ein modernes Leben mit Berufstätigkeit aller Erwachsenen wünschen, aber ihnen dann ein vorsintflutliches Schulmodell angedeihen lassen. Es geht nicht nur um dieses oder jenes Kind und um Familienorganisation, es geht auch um unser aller Zukunft. Kinder sind unsere Zukunft. Angesichts der demografischen Entwicklung brauch ich da ja nicht ins Gewissen reden. Ist ja offensichtlich, dass sich das hinten und vorn nicht ausgeht.

Warum sollen wir als Eltern, die sowieso schon Mehrausgaben haben, auch noch die sommerliche Betreuungszeit für die Kinder organisieren und für private Kurse bezahlen? Bewilligten Urlaub gibt es im Sommer pro erwachsener Person im Schnitt zwei bis maximal vier Wochen, je nach Beruf und Position. Kurzum, es ist nicht nur die Elternverantwortung, sich um die Betreuung des Nachwuchses im Sommer zu kümmern. Sondern es ist die Verantwortung von Politik und Gesellschaft, hier sinnvolle neue Modelle zu entwickeln mit weniger Ferienwochen im Sommer und nicht einer weiteren Privatisierung von Betreuung Vorschub zu leisten.

Leistung nicht im Vordergrund

Jetzt bin ich aber die Letzte, die für mehr Schulzeit im Sinne eines leistungsorientierten Schulmodells ist. Kinder brauchen nicht nur Erholungszeit, sondern viel Spielzeit, auch viel freie Spielzeit. Wenn die Schule durch Ferienzeitverkürzung einfach in den Sommer hinein verlängert würde, wäre das fatal. Daher wäre auf ein weniger verschultes Lernen, das dann aber über das gesamte Schuljahr zu achten. Ich sehe das als klare Bedingung. Es braucht mehr denn je mehr Spiel, mehr Zeit für Freundschaft und mehr Zeit ohne klarem Zweck und ganz bestimmt nicht noch ein zusätzliches Sonderförderprogramm im Sommer.

Als Eltern sind wir gerne bereit, unseren Beitrag zu leisten. Wir lieben unsere Kinder und verbringen gerne Zeit mit ihnen. Aber wir sind nicht länger bereit, die gesellschaftliche Verantwortung auch noch mit zu übernehmen.

Ansonsten sehen wir uns nämlich leider gezwungen, unser Kind für mindestens vier oder fünf Wochen in den Sommerferien jeden Tag acht Stunden vor dem Bildschirm verbringen zu lassen. Damit wäre das Kind absolut einverstanden, günstig ist es auch, und organisieren braucht man auch fast nichts. Was dabei rauskommt, weiß ich nicht, aber spätestens das ist dann das Problem der Gesellschaft. Und nicht mehr unseres. (Christine Gasser-Schuchter, 21.8.2023)