Blick aufStrandkoerbe am 26.08.2022 in Sellin auf der Insel Ruegen.
Alle strampeln sich in ihrer kleinen familiären Box an den langen Ferienzeiten ab.
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Nach etwa sechs Wochen Ferien ist spätestens jetzt der Zeitpunkt, an dem viele Eltern auf dem Zahnfleisch kriechen. Feriencamps, dazwischen Urlaub mit den Kindern, dazwischen Erwerbsarbeit, Kind zur Oma bringen, Koordination mit anderen Eltern, die das Kind nehmen, wieder Feriencamp und vielleicht nochmal Urlaub. Der Erholungseffekt durch die weitaus kürzere Ferienzeit der Eltern im Vergleich zu der der Kleinen löst sich bei vielen durch die Betreuungsjongliererei in Luft auf.

Und das sind nur die neun Wochen Ferien im Sommer, wobei neun Wochen auch nicht die ganze Wahrheit sind. Es sind fast zehn, wenn man die letzten beiden Schultage des alten und die ersten beiden des neuen Schuljahres dazuzählt, an denen auch kein regulärer Unterricht stattfindet und die Kinder spätestens ab Mittag wieder freihaben.

In vielen Teilen Österreichs gibt es freilich tolle Ferienangebote. Bei den kostengünstigen gilt es allerdings sehr schnell bei der Anmeldung zu sein, um noch einen Platz zu ergattern. Oder man hat genügend Geld für Feriencamps, die schnell mal 400 Euro pro Woche kosten. Für Eltern mit mehr als einem Kind ist das oft ein Ding der Unmöglichkeit, für Alleinerziehende sowieso.

Schöne Kindergartenzeit

Zumindest in Wien mit einem im Vergleich zu ländlichen Gebieten vergleichsweise paradiesischen Kinderbetreuungsangebot für Kinder zwischen null und sechs Jahren sind die ersten Schulferien eine Herausforderung. Viele städtische und auch viele private Kindergärten bleiben während der Sommermonate offen. Die Kinderbetreuung hat somit oft keine großen Ferien – und das ist bei weitem kompatibler mit jenen Urlaubstagen, die die Eltern zur Verfügung haben.

Doch während viel über den Ausbau von Krippen- und Kinderbetreuungsplätze – vor allem auf dem Land – gesprochen wird, ist es zu Betreuungslücken während der Schulzeit ziemlich still. Der Ausbau der Kinderbetreuung wird deshalb gefordert, damit mehr Frauen weniger in Teilzeit sind, damit mehr Frauen nach einer Geburt besser am Arbeitsmarkt Fuß fassen und ihnen Berufsunterbrechungen keine Lohneinbußen bringen. Das sind die alten und noch immer aktuellen Apelle.

Werte und der Wert der Arbeit

Theoretisch betrifft das Problem der schulfreien Zeit und davor der Kinderbetreuung beide Elternteile. Praktisch ist es aber ein Problem für Mütter. Sie bleiben länger in Karenz, weil die Väter besser verdienen. Sie arbeiten zu einem weitaus größeren Teil in Teilzeit wegen Betreuungspflichten und tragen aus konservativen Wertvorstellungen heraus das Gros der Verantwortung.

Letztlich ist es doch so: Entweder organisiert man Kinderbetreuung und später die Ferien- oder Nachmittagsbetreuung von Schulkindern so, dass eine Erwerbstätigkeit möglich ist, die Frauen jetzt und später im Alter finanzielle Autonomie bringt. Oder man lässt es und setzt weiter – wenn auch unausgesprochen – auf weniger oder gar keine Erwerbsarbeit zumindest eines Elternteils. Und weil sich Geschlechterrollen nicht in ein paar Jahrzehnten in Luft auflösen, heißt das: Man setzt auf den Einsatz von Frauen. Das zu verändern, das ist fraglos eine große Herausforderung. Aber weiterhin eine "Augen zu und durch"-Strategie zu fahren und am Ende des Schuljahres "allen schöne Sommerferien" zu wünschen, ist auch nicht mehr tragbar. (Beate Hausbichler, 8.8.2023)