Der Mieter war längst gefunden, die Verträge waren un­ter­zeichnet: Der Zahlungsdienstleister Wirecard wollte fünf neue Gebäude in Aschheim, eine S-Bahn-Fahrt von München entfernt, beziehen. Schwarz und Weiß würden die dominierenden Farben des Gebäudekomplexes sein, der auf Wunsch von Wirecard umgeplant und noch einmal vergrößert werden musste. Recht steril seien die Vorstellungen gewesen, erinnern sich an der Planung Beteiligte heute. Aber im Rückblick ist man immer gescheiter. Realisiert wurde das Headquarter nie. Denn als der Rohbau 2020 endlich stand, krachte das Kartenhaus von Wirecard zusammen.

Die Bäume gibt es bisher nur auf der Visualisierung – sie werden gerade in den Niederlanden vorgezogen und geliefert, sobald kein Staub mehr bei den Arbeiten anfällt.
Die Bäume gibt es bisher nur auf der Visualisierung – sie werden gerade in den Niederlanden vorgezogen und geliefert, sobald kein Staub mehr bei den Arbeiten anfällt.
Rock Capital Group

Der Immobilienentwickler Rock Capital Group habe sich rasch mit dem zuständigen Insolvenzverwalter einigen können und stieg aus dem 2018 unterzeichneten Mietvertrag aus. "Aber wir standen inmitten der Pandemie plötzlich ohne Mieter da", sagt Claudia Zoric von der Rock Capital Group. Noch dazu sei während der Pandemie plötzlich gar nicht mehr so klar gewesen, ob es künftig noch Büros braucht.

Lust, ins Büro zu gehen

Also wurde umgeplant. "Wir haben uns dabei auf zwei Punkte konzentriert", sagt Zoric. "Erstens: Mitarbeiter dürfen keine Angst vor einer Ansteckung haben. Und zweitens: Die Mitarbeiter müssen Lust haben, ins Büro zu kommen."

Mittlerweile ist der Komplex fast fertig, derzeit findet der Innenausbau statt. Das "Heads Office", so der Name, wurde zum "Immune Office", dafür hat man sich die Hygienestandards für die Lüftungsanlage von Krankenhäusern abgeschaut. Optio­nal gibt es außerdem UV-C-Filtergeräte in den Räumen, in denen die Raumluft mittels Luftsterilisatoren mit UV-C-Licht behandelt wird – was laut Zoric nicht nur bei Krankheitserregern hilft, sondern auch bei Heuschnupfen. Die Armaturen – etwa im WC – sind berührungslos, das Licht wird mittels Bewegungsmelder gesteuert. "Das ist alles keine Raketenwissenschaft", sagt­ ­Zoric, dennoch gebe es die Technologie in vielen neuen Bürobauten noch nicht.

Auch Pflanzen spielen im "Immune Office" eine wichtige Rolle. Insgesamt 900 Pflanzen werden das Bürohaus mit seinen vier Atrien begrünen. Das habe in der Planungszeit einiges an Nerven gekostet, erzählt Zoric. "Es gab Firmen, die meinten: Ein Teil muss da aber schon aus Plastik sein. Aber das war nicht unser Konzept." Für die vielen Pflanzen, die Tröge und das Bewässerungssystem musste auch die Statik ertüchtigt werden. Zwei Bäume werden in den Niederlanden vorgezogen, sie werden nach Aschheim transportiert, sobald die Arbeiten, bei denen Staub entstehen könnte, beendet sind. Geliefert werden sie mittels Lkw, vor dem Haus wird ein beheizter Tunnel aufgestellt. Bäume mögen keine Zugluft.

Die Miete liegt bei rund 19 Euro pro Quadratmeter – die Wartungskosten für die Pflanzen schlagen mit sechs bis acht Cent pro Quadratmeter zu Buche. Der erste Mieter, die Tempo-Mutter Essity, bezieht dieser Tage seine in Pastelltöne getauchten Büros.

Panzersichere Kabel

Derzeit ist gut ein Drittel der Flächen an unterschiedliche Unternehmen vermietet, man befinde sich aber mit weiteren in Verhandlungen. Möglich sei auf einem Teil der Flächen auch ein Short- oder Long­stay-Hotel mit 80 bis 120 Zimmern.

Großes Thema war für Wirecard die Konnektivität, man habe die Messlatte aber noch einmal höher gelegt, sagt Zoric. Darum gibt es nun eine In-House-Mobilfunkanlage und auf Mieterwunsch panzersichere Telekommunikationskabel.

Und eine eigene Einfahrt, die, so munkelt man in Aschheim, ohne Wirecard so vielleicht nicht möglich gewesen wäre. (Franziska Zoidl aus München, 30.9.2023)