Rehe überqueren Straße
Unfälle mit Rehen und anderen Wildtieren sind in Österreich und Deutschland an der Tagesordnung.
AP/Michael Probst

Besonders zur Brunftzeit von Rot- und Damwild im Herbst, aber auch generell in der Dämmerung kommt es zu erhöhtem Wildwechsel. Für Fahrzeuglenker gilt es dann besonders, die entsprechenden Warnschilder zu beachten und bremsbereit zu fahren. Um Kollisionen zu verhindern, sind bereits an vielen Straßenabschnitten Wildwarnsysteme im Einsatz.

Allein in Niederösterreich wurden im Vorjahr unter anderem knapp 7.000 Wildwarnreflektoren und 500 optische oder akustische Wildwarngeräte an den Straßenrändern installiert. Scheint das Licht der Scheinwerfer darauf, wird es von der Straße weg in den Wald oder auf das Feld reflektiert oder sendet Warntöne aus. So werden die Tiere vor drohender Gefahr gewarnt.

80.000 tote Wildtiere jährlich

Trotz allem kracht es immer noch allzu oft. Knapp 80.000 Wildtiere sterben durchschnittlich pro Jahr als "Fallwild" auf Österreichs Straßen, mehr als die Hälfte davon ist Rehwild. Laut Statistik Austria endeten im Jahr 2022 zudem 301 dieser Unfälle mit Personenschaden, eine Person kam ums Leben. Hauptsächlich passieren die Wildunfälle auf Landes- und Bundesstraßen, die meisten davon in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark.

Diese Unfallzahlen zu reduzieren hat sich unter anderem das Forschungsprojekt Wild Warn unter Leitung des Austrian Institute of Technology (AIT) auf die Fahnen geschrieben. "Es macht einen riesigen Unterschied, ob Streckenabschnitte mit Wildwarnsystemen ausgerüstet sind oder nicht", sagt Projektkoordinator Michael Aleksa vom AIT über Erkenntnisse, die bereits aus dem Vorgängerprojekt WiConNET gewonnen wurden, bei dem ein Messkonzept für Wildwarner entwickelt wurde.

Aktuelle Warnkarte als Ziel

Nun möchten die Forschenden aber von lokalen Warnsystemen einen Schritt weitergehen und eine webbasierte Risikolandkarte für Wildunfälle erstellen. Sie könnte dann zum Beispiel als Teil einer Navigations-App in Echtzeit anzeigen, an welchen Straßenabschnitten Wildunfälle gerade wahrscheinlicher sind, und Autofahrer rechtzeitig warnen. Gefördert wird das Projekt von Klimaschutzministerium und der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Rahmen des Weltraumprogramms ASAP.

Totes Reh Fahrbahn
Allein in Österreich sterben pro Jahr 80.000 Wildtiere auf den Straßen. Über 300 Personen wurden 2022 bei den Unfällen verletzt.
APA/dpa/Julian Stratenschulte

Für ein möglichst akkurates Prognosetool sammeln die Projektpartner zunächst in Modellregionen unterschiedlichste Daten ein, um die grundlegende Problematik besser verstehen und einschätzen zu können. Die Forschungsgesellschaft Joanneum Research etwa wertet Satellitenbilder der Erdbeobachtungsmission Sentinel-2 aus. Durch die Satellitenüberflüge alle fünf bis zehn Tage kommt eine enge Zeitreihe an Vegetationsdaten zusammen. Daraus können die Wildtierökologen von WWN Technisches Büro für Forstwirtschaft und den Österreichischen Bundesforsten wiederum wichtige Schlüsse ziehen. Wurde zum Beispiel vor kurzem eine Waldlichtung wieder aufgeforstet oder ein Maisfeld abgeerntet, kann das einen Einfluss auf die Bewegungen der Wildtiere haben.

Mehrere Modellregionen

Für die Datenerhebung kommt die auf Apps spezialisierte Grazer Firma Pentamap ins Spiel, und das AIT selbst vermisst mit einem Messfahrzeug hochpräzise die Straßen und die direkte Umgebung. "Wir fangen jetzt einmal mit Strecken an, wo keine Wildwarner sind, damit wir das Querungsverhalten der Tiere mitbekommen – abhängig von Habitaten, Feldfrüchten, Bewuchs, Wäldern, Gewässern, aber auch dem Freizeitdruck der Menschen", erklärt Aleksa. Erste Modellregion ist ein gut zehn mal 20 Kilometer großes Areal in Oberösterreich. Weitere Gebiete in Niederösterreich oder der Steiermark könnten folgen. Interessant ist das Revier für die Forschenden, weil es hier genaue Wildunfalldaten gibt – mit exakten Positions- und Zeitangaben.

Bis zum Projektende im August 2025 wird es darauf ankommen, die diversen Informationen aus Satellitenbildern, Verkehrsstärken, Geschwindigkeitsniveaus, Unfallhäufungen, Trassierungsparametern von Straßen und Habitatsdaten zu fusionieren und letztlich in Anwendungen zu integrieren. Vorstellbar sind laut Aleksa neben Navi-Apps auch kartenbasierte Visualisierungen in den Gefährdungszonen: "Wir wollen dynamisch warnen, wenn das Risiko wirklich erhöht ist." (Mario Wasserfaller, 22.3.2024)