Zwei Hände halten einen leeren Teller, auf dem Holzbesteck acht Uhr anzeigt, über Gemüse
Intervallfasten kann man ohne großen Aufwand umsetzen, man isst einfach nur in einem bestimmten Zeitfenster. Auch deshalb ist diese Diätform so beliebt.
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Jennifer Aniston macht es. Hugh Jackman auch. Ebenso wie Jimmy Kimmel, Reese Witherspoon oder Halle Berry: Intervallfasten. Man isst innerhalb eines bestimmten, zeitlich klar abgegrenzten Zeitraums, den Rest der Zeit verzichtet man auf jegliche Nahrungs- und Kalorienaufnahme. Das soll einerseits dabei helfen, das eigene Gewicht besser im Griff zu haben – man nimmt dadurch automatisch weniger Kalorien zu sich, so die Annahme –, andererseits soll es zahlreiche Vorteile für die Gesundheit bringen.

Denn wenn man länger nichts isst, soll das körpereigene Zellrecycling-Programm, die Autophagie, anspringen. Fehlgefaltete Proteine und anderer Zellmüll, der zu Krebs führen könnte, werden dabei vom Stoffwechsel verwertet und wiederaufbereitet. Und genau auf diese Zauberwirkung schwören nicht nur zahlreiche Celebrities, sondern auch Liese Müller und Hans Huber. Die beliebteste Form des Intervallfastens ist dabei das intermittierende Fasten: Nahrung nimmt man nur in einem Zeitraum von acht Stunden zu sich, die restlichen 16 Stunden fastet man. Der Zeitraum der Nahrungskarenz kann dabei auf 14 Stunden verkürzt oder auch auf 18 oder 20 Stunden verlängert werden.

Die positiven gesundheitlichen Folgen sollen dabei zahlreich sein, von optisch verjüngter Haut bis zur Krebsprophylaxe werden die Vorteile beworben. Doch was davon wirklich stimmt, ist unklar, die allermeisten Untersuchungen wurden am Tiermodell durchgeführt, die tatsächliche Studienlage dazu ist dünn, wie der STANDARD hier und hier berichtete.

Herz-Kreislauf-Probleme und Krebs wahrscheinlicher?

Doch nun scheint eine Studie genau das Gegenteil zu zeigen: Personen, die intervallfasten, sollen im Verhältnis zu nicht fastenden Menschen ein um 91 Prozent höheres Risiko haben, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben. Diese Erkenntnis präsentierten Forschende der Shanghai Jiao Tong University School of Medicine auf der EPI|Lifestyle Scientific Sessions 2024 der American Heart Association, die vom 18. bis 21. März in Chicago stattfindet.

Die Forschenden untersuchten dafür die Essgewohnheiten von über 20.000 US-Amerikanerinnen und -Amerikanern. Dafür verwendeten sie Daten von über 20-Jährigen, die zwischen 2003 und 2018 an den National Health and Nutrition Examination Surveys (NHANES) teilnahmen. Durchschnittlich wurden die Teilnehmenden acht Jahre lang beobachtet und mit den Daten des National Death Index abgeglichen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass Personen, die täglich innerhalb eines Zeitfensters von acht Stunden oder weniger essen, ein um 91 Prozent gesteigertes Risiko haben, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben.

Leiden Personen bereits an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und essen geblockt an weniger als zehn Stunden pro Tag, sei dieses Risiko 66 Prozent höher. Ebenso sei das Risiko an Krebs zu sterben geringer, wenn der Zeitraum der Essensaufnahme mehr als 16 Stunden pro Tag beträgt. Das Gesamtrisiko zu sterben, wurde bei Personen, die Intervallfasten betreiben, allerdings nicht höher.

Neubewertung nötig?

Wie lassen sich diese Erkenntnisse nun mit den positiven Gesundheitsversprechen, die mit dem Intervallfasten vermittelt werden, in Einklang bringen? Muss Fasten völlig neu bewertet werden? Nein, sind sich Experten einig. "Ich schätze epidemiologische Studien in Bezug auf intermittierendes Fasten als absolut unzuverlässig ein. Ihr Aussagewert ist äußerst gering", sagt Andreas Michalsen, Inhaber der Stiftungsprofessur Naturheilkunde an der Charité Berlin und international anerkannter Experte zum Thema Fasten. Er kritisiert, dass die Daten auf der Tagung nur im Überblick berichtet wurden. "Am meisten irritiert, dass eine Beobachtungsdauer von acht bis elf Jahren vorliegt. Intermittierendes Fasten ist erst seit etwa drei bis fünf Jahren eine häufigere Praxis. Man muss also davon ausgehen, dass andere Gründe vorlagen, Mahlzeiten wegzulassen."

Michalsen kann sich das erhöhte Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, nur durch eine "Reverse Causation" erklären, also dass es sich um eine umgekehrte Wirkungsrichtung handelt, die von weiteren Faktoren beeinflusst wird. "Solche Risikofaktoren könnten erhöhter Distress sein. Möglicherweise wurde das Frühstück aufgrund von Zeitmangel, Schlafstörungen oder anderen Stressoren weggelassen. Auch Erkrankungen können Essensmodalitäten einschränken und verändern." Grundsätzlich wäre es wichtig zu wissen, ob das Frühstück oder Abendessen weggelassen wurde, betont der Experte. Denn: "Das Auslassen des Frühstücks kann bei kardiometabolischen Erkrankungen zu 'Völlerei' am Abend führen, das ist ungünstig."

Auch sei die Prozentzahl des Risikos zu hinterfragen: "Eine Fallzahl von 31 kardiovaskulären Todesfällen ist nicht geeignet, um Prozentzahlen abzuleiten." Michalsen kann der aus den Daten abgeleiteten Erkenntnis, dass Intervallfasten kurzzeitig Vorteile, aber langfristig erhebliche Nachteile bringe, "überhaupt nicht" zustimmen.

Risiko bei Vorerkrankungen unklar

Ganz ähnlich sieht das Tilman Kühn, Professor für Public Health Nutrition an der Med-Uni Wien: "Die Ergebnisse dieser Studie beweisen nicht, dass Intervallfasten das Mortalitätsrisiko erhöht. Sie zeigen nur, dass Personen, die an zwei zufällig ausgewählten Tagen ihre Mahlzeiten innerhalb von weniger als acht Stunden verzehrten, ein höheres Risiko dafür hatten, an einer kardiovaskulären Ursache zu versterben. Absichtliches Intervallfasten wurde in der Studie jedoch nicht untersucht."

Man wisse nicht, warum die Menschen an diesen Tagen weniger gegessen hätten, der Grund könnten etwa bereits bestehende Krankheiten sein. "Die Gründe bleiben in der Studie komplett unklar, was ihre Aussagekraft einschränkt." Der statistische Zusammenhang sei zwar gegeben, man wisse aber nicht, ob es sich dabei um einen Kausalzusammenhang handle oder lediglich um eine Korrelation, betont Kühn.

Der Ernährungswissenschafter gibt außerdem zu bedenken, dass die Studie keinerlei Aussage darüber zulässt, ob Intervallfasten bei Vorerkrankungen problematisch sei: "Bewusstes, absichtliches Intervallfasten wurde nicht untersucht. Es ist denkbar, dass schwerer an Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leidende Personen in der Studie ihre Ernährung aufgrund der Erkrankungen eingeschränkt hatten. Dann würde die Erkrankung selbst das Mortalitätsrisiko erklären." Da gute Langzeitstudien zum Intervallfasten komplett fehlen, könne man weder langfristige Vorteile noch Nachteile wissenschaftlich belegen.

Lieber doch frühstücken

Als nicht überraschend bezeichnet Stefan Kabisch, Studienarzt an der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Charité Berlin, die Ergebnisse, ähnliche Erkenntnisse gebe es auch in der bisherigen Literatur. Er gibt zu bedenken, dass gezieltes Intervallfasten nach dem 16:8-Prinzip sich in vielen Fällen darauf hinausläuft, das Frühstück auszulassen. "Mehrere Studien zeigen aber, dass das zu einem gesteigerten Risiko für Adipositas, Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen führen kann." Auch das seien aber, wie die vorliegende Untersuchung, Beobachtungsstudien, die aus methodischen Gründen keine Kausalität belegen können.

Kabisch gibt zu bedenken, dass Intervallfasten oft von Menschen ausprobiert wird, um bereits bestehende Risikokonstellationen wie Adipositas und Diabetes zu behandeln. Solche Erkrankungen wiederum fördern kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebs und können damit viel eher der Grund für die erhöhte Sterblichkeit sein als das Intervallfasten selbst. Und er weist auf einen weiteren Punkt hin: Das Auslassen von Mahlzeiten, insbesondere des Frühstücks, passiert nicht immer freiwillig. "Viele Menschen verzichten aus zeitlichen oder finanziellen Gründen auf Mahlzeiten, und gar nicht aus gesundheitlicher Motivation."

Die erhöhte Sterblichkeit resultiere deshalb oft aus Confoundern, also Störfaktoren in der Studie, wie geringer sozioökonomischer Status und Faktoren, die damit statistisch verknüpft sind, etwa Rauchen, Alkoholkonsum oder Bewegungsmangel. "Auch in der jetzt vorliegenden Studie ist der Raucheranteil bei den Fastenden am höchsten. Rein statistisch ist das Ergebnis der Studie also plausibel, ein kausaler Beweis der Schädlichkeit ist es nicht." Ebenso sei der Body Mass Index (BMI) bei jenen Teilnehmenden am höchsten, die besonders lange fasten. "Die Sterblichkeit an kardiovaskulären Erkrankungen hängt aber direkt mit dem BMI zusammen."

Fasten kann Kranken schaden

Kabisch hat aber eine Erklärung dafür, warum sich das Sterberisiko beim Intervallfasten erhöhen kann: "Jede Form von intensiver Diät oder Fasten kann mit einem Nährstoffmangel einhergehen. Patienten mit schweren Herzerkrankungen oder Krebs nehmen oft bereits aufgrund ihrer Erkrankung ab." Dieser Gewichtsverlust verringere die Muskelmasse, aber auch gesundheitlich wichtige Anteile der Fettmasse, die in diesen Krankheitsfällen als essenzieller Energiespeicher und Hormonproduzent fungieren. "Eine zusätzliche Einschränkung der Nahrungszufuhr und Gewichtsabnahme ist bei diesen Patienten, egal mit welcher Diät, keine sinnvolle Therapie und birgt ganz klar das Risiko der Übersterblichkeit."

Man kann also weiter intervallfasten, ohne negative gesundheitliche Folgen befürchten zu müssen – unter der Voraussetzung, dass man prinzipiell gesund ist und einem solch lange Essenspausen zusagen. Immerhin ist nicht jeder Mensch von seinem Stoffwechsel her dafür gemacht, 14 Stunden oder länger nichts zu essen. Für Kinder, Schwangere und Kranke ist diese Form der Ernährung definitiv nicht geeignet. Und auch für Gesunde gilt, wie immer: auf das Körpergefühl hören und nicht gegen die eigenen Stoffwechselbedürfnisse eine Ernährungsregime durchziehen, mit dem man sich nicht gut fühlt. (Pia Kruckenhauser, 19.3.2024)