Drei junge Männer sitzen mit Burger und Pommes im Lokal
Ab und zu spätabends in gemütlicher Atmosphäre zu essen ist in Ordnung. Aber zur Gewohnheit werden lassen sollte man es nicht. Denn das kann den Hormonhaushalt ziemlich durcheinanderbringen.
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Es war ein stressiger Tag, dann kommt man nach Hause und entspannt beim gemeinsamen Kochen und Essen. Oder man hatte untertags einfach keine Zeit zum Essen und holt das abends mit einer besonders großen Portion nach. Wieder andere machen es sich auf der Couch gemütlich mit ein paar Snacks. Egal aus welchem Grund, Tatsache ist, dass viele Menschen einen guten Teil ihrer Nahrung abends verzehren. Dann hat man Zeit, dann hat man Ruhe, und hungrig ist man meistens auch. Dabei hört man immer wieder, das sei wirklich ungesund. Wie sieht es nun aus?

Tatsächlich gibt es zahlreiche Studien, die nahelegen, dass spätes Essen der Gesundheit – und auch dem Gewicht – nicht zuträglich ist. Diese und diese Studie etwa zeigen, dass das Abendessen innerhalb von drei Stunden vor dem Schlafengehen die Symptome von Sodbrennen und Reflux verschlimmern kann. Hier und hier wurde untersucht, dass Essen ein bis drei Stunden vor der Nachtruhe mit stärkeren Schlafstörungen verbunden ist.

So weit, so gut. Doch immer mehr Studien zeigen mittlerweile, dass spätes Essen den Stoffwechsel und damit das Gewicht negativ beeinflusst. Diese US-Studie aus dem Jahr 2019 zeigt etwa, dass jene Menschen, die in den zwei Stunden vor dem Schlafengehen rund 100 Kalorien mehr aßen als andere, ein um 80 Prozent höheres Risiko für Übergewicht haben. In Schweden und Japan kam man zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen.

Diese Studie aus Großbritannien zeigt außerdem, dass Menschen, die regelmäßig nach 21 Uhr naschen, ein höheres Diabetesrisiko haben und dass bei ihnen außerdem Blutzucker und -fette nach einer Mahlzeit untertags stärker ansteigen als bei jenen, die üblicherweise nicht bis spät in die Nacht essen.

Vom richtigen Zeitpunkt

Natürlich beweisen solche Studien nicht, dass spätes Essen direkt zu Gewichtszunahme führt oder andere gesundheitliche Probleme hervorruft. Dabei spielen auch andere Faktoren wie Genetik, Bewegung oder Schlaf eine wichtige Rolle. Doch es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass der Zeitpunkt von Mahlzeiten direkte Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann.

Woran das liegt? Die Hormone dürften schuld daran sein, sie scheinen durcheinanderzukommen, wenn man regelmäßig spätabends isst. Diesen Schluss legt diese Studie nahe, für die 16 übergewichtige oder adipöse Erwachsene für zwölf Tage in einem Labor lebten, in dem ihre Mahlzeiten, Bewegung und Schlaf genau geregelt waren. Alle Probandinnen und Probanden folgten sechs Tage lang jeweils zwei unterschiedlichen Essplänen: Eine Gruppe frühstückte kurz nach dem Aufwachen, aß zu Mittag und dann am frühen Abend. Die andere Gruppe aß die gleiche Menge an Kalorien und Nährstoffen, aber die Zeitpunkte waren um vier Stunden verschoben, das Abendessen fand erst um 21 Uhr statt. Nach sechs Tagen wechselten die Gruppen den Rhythmus.

Die Erkenntnis: Die Gruppe mit dem späteren Essensplan hatte mehr Hunger als jene mit dem früheren. Außerdem war der Spiegel des Hormons Leptin, das dem Körper Sättigung anzeigt, im Laufe des Tages niedriger, der Ghrelinspiegel dagegen, der Hunger signalisiert, war erhöht. Die spätere Essensgruppe verbrannte bei gleicher Aktivität auch weniger Kalorien. Und eine weitere, kleine Studie hat gezeigt, dass Menschen, die spät essen, weniger Fett verbrennen.

Isst man spätabends viele Kohlehydrate, kann das außerdem zu stärkeren Blutzuckerspitzen führen als untertags, zeigt diese Untersuchung. Das dürfte daran liegen, dass das Hormon Melatonin, das der Körper am Abend ausschüttet, damit man leichter einschläft, die Insulinausschüttung, die den Blutzuckerspiegel reguliert, dämpft, wie hier untersucht wurde.

Volle Mahlzeit versus Snack

Jede Menge Hinweise also, dass spätabends essen nicht die beste Variante ist. Das bestätigt auch die Diätologin Yasmin Eder, die sich intensiv mit solchen Studien auseinandersetzt. Aber heißt das, wir dürfen am Abend alle nichts mehr essen? Nein, beruhigt Eder. Es komme aber darauf an, was man esse: "Eine ausgewogene Mahlzeit mit einer guten Mischung aus Protein, gesunden Fetten und komplexen Kohlenhydraten, die gut sättigt, in entspannter Atmosphäre, hält auch den Blutzuckerspiegel stabil. Snacks vor dem Fernseher sind dagegen oft voller Kohlenhydrate, kombiniert mit ungesunden Fetten."

Das macht dann einerseits nicht richtig satt, andererseits kann der Blutzuckerspiegel stark schwanken. Das gilt vor allem für Produkte aus einfachem Weißmehl wie Pasta oder helles Brot, für Chips und Ähnliches. "Dann wird viel Insulin ausgeschüttet, das scheint die Melatoninproduktion zu drosseln. Mit der Folge, dass man nicht so gut einschlafen kann", erklärt Eder.

Trinkt man dazu auch noch Alkohol, verstärkt sich die negative Wirkung. "Alkohol kann den Blutzuckerspiegel beeinträchtigen und die Insulinresistenz erhöhen, was in Kombination mit spätem Essen zur Herausforderung für den Blutzuckerhaushalt werden kann", sagt Eder. Alkohol hat dazu auch noch ziemlich viele Kalorien – die zweitmeisten nach Fett –, das erhöht das Risiko einer Gewichtszunahme. Die Wechselwirkung zwischen Alkohol und spätem Essen kann außerdem Magen-Darm-Probleme begünstigen, betont die Diätologin.

Im Süden lieber spät

Bleibt die Frage, warum all das für die südländische Bevölkerung nicht zu gelten scheint. In Ländern wie Italien oder Spanien isst man ja oft und ausgiebig spät zu Abend, trotzdem ist Fettleibigkeit in nördlicheren Gefilden ein größeres Problem.

Eine genaue Erklärung dafür hat auch Eder nicht. Sie vermutet eine komplexe Mischung aus kulturellen, genetischen und Lebensstil-Faktoren: "Das Abendessen wird als soziale Aktivität betrachtet, es findet in einem entspannten Tempo statt. Die mediterrane Kost besteht außerdem tendenziell aus leichteren, nährstoffreicheren Nahrungsmitteln. Es kann natürlich auch sein, dass sich genetische Anpassungen an die Essgewohnheiten entwickelt haben und die Menschen dort spätes Essen besser verarbeiten können." Dazu kommen oft höhere Aktivitätsniveaus und längere Pausen zwischen den Mahlzeiten. Auch klimatische Faktoren können einen Unterschied machen. "Natürlich existieren beim Essen individuelle Unterschiede, man kann nie alle über einen Kamm scheren. Und auch in Südeuropa reagieren nicht alle gleich auf spätes Essen."

Insgesamt scheint mittlerweile die wissenschaftliche Evidenz aber klar zu zeigen, dass regelmäßiges spätes Essen tendenziell tatsächlich nicht guttut. Ist man also nicht gerade zu einem entspannten Dinner mit Freunden eingeladen, sollte man sich wohl am besten an den alten Spruch halten: frühstücken wie ein Kaiser, mittagessen wie ein Edelmann und abendessen wie ein Bettler. (Pia Kruckenhauser, 18.1.2024)