Donald Trump
Donald Trump spielt in seinen Gerichtsprozessen auf Zeit.
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Schon seit Monaten macht sich Aileen Cannon nicht gerade beliebt bei der Staatsanwaltschaft in Florida. Im brisanten Gerichtsverfahren um geheime Regierungsdokumente – diese hatte Donald Trump nach seinem Ausscheiden aus dem Amt als US-Präsident 2021 in seinem privaten Anwesen Mar-a-Lago gehortet bzw. auch versteckt, bis sie im Zuge einer Razzia beschlagnahmt wurden – musste sich die US-Richterin schon bisher den Vorwurf gefallen lassen, allzu gemächlich an die Sache heranzugehen. Und da scheint einiges dran zu sein: Der für den 20. Mai geplante Prozessauftakt ist geplatzt, was Trumps Anwälten nur recht ist: Sie wollen den Prozess verschleppen und fordern eine Vertagung bis nach der Wahl, die Anfang November stattfindet.

Ganz offen verärgert und frustriert zeigten sich nun die Staatsanwälte nach einem Bericht der "New York Times" am Dienstagabend (Ortszeit): Eine "grundlegend fehlerhafte" Vorbereitung des Prozesses habe zu Verzögerungen geführt. Richterin Cannon wurde in einem 24-seitigen Antrag formell gebeten, die Angelegenheit zu beschleunigen. Die Richterin habe sich – ob gewollt oder nicht, das blieb offen – in zahlreichen ungelösten Fragen und "merkwürdigen" Verfahrensanträgen festgefahren.

Geheimdokumente

Nach Einschätzung der US-Zeitung war dies die bisher direkteste Attacke der Staatsanwälte auf die bisherige Verfahrenspraxis der zuständigen Richterin. Cannon sei "geradezu angefleht worden", den Fall voranzutreiben, so die "New York Times". Sie müsse schnellstmöglich eine verbindliche Entscheidung über eine der "dreistesten Behauptungen Trumps" treffen: "dass er nicht dafür belangt werden kann, dass er nach seinem Ausscheiden aus dem Amt einen Stapel nationaler Sicherheitsdokumente mit nach Hause genommen hat, weil er sie nach einem als 'Presidential Records Act' bekannten Gesetz in sein persönliches Eigentum umgewandelt hat".

Trumps Strategie, nicht nur dieses, sondern auch alle anderen Verfahren gegen ihn zu verzögern und zu verschleppen, scheint bisher tadellos zu funktionieren. Im Folgenden ein Überblick:

Schweigegeld

Seit Ende März muss sich Trump einem Strafprozess in New York stellen, in dem es um Schweigegeldzahlungen im Umfang von 130.000 Dollar an die Pornodarstellerin und -produzentin Stephanie Clifford alias Stormy Daniels geht. Sie sollte als Gegenleistung ihre Affäre mit Trump verschweigen. Dem Ex-Präsidenten wird in diesem Zusammenhang in 34 Fällen die Fälschung von Geschäftsdokumenten zur Last gelegt. Das damals von seinem mittlerweile gefeuerten Rechtsanwalt gezahlte Schweigegeld ist an sich nicht illegal; rechtlich problematisch ist allerdings die in mehreren Tranchen erfolgte Rückzahlung der Summe an den Rechtsvertreter: Diese wurden – fälschlicherweise und somit wohl illegal – als "Anwaltskosten" verbucht.

Neuerdings darf sich Trump auch gegenüber Familienmitgliedern des mit dem Fall befassten New Yorker Richters keine verbalen Entgleisungen mehr leisten. Diesen "Maulkorberlass" ("gag order") beschloss ein US-Gericht am vergangenen Montag, nachdem Trump die Tochter des Richters in einem Social-Media-Post als "tollwütige Trump-Hasserin" beschimpft hatte. Schon zuvor war Trump verboten worden, sich – in welcher Form auch immer – öffentlich über Zeugen oder Mitarbeitende des Gerichts zu äußern.

Wahlfälschung

Wesentlich brisanter – denn es geht immerhin um den mutmaßlichen Versuch, ein Wahlergebnis zu fälschen – ist ein Verfahren, mit dem Trump im US-Bundesstaat Georgia konfrontiert ist. In einem längst legendären Telefonanruf hatte der bei der Wahl im November 2020 Unterlegene zwei ganze Monate später den republikanischen Innenminister des Bundesstaates, Brad Raffensperger, aufgefordert: "Ich möchte, dass du 11.780 Stimmen findest!" Joe Biden hatte den Bundesstaat mit einem Vorsprung von 11.779 Stimmen gewonnen.

Raffensperger weigerte sich. Mit der versuchten Einflussnahme dürften Trump und Vertraute gegen mehrere Landesgesetze in Georgia verstoßen haben. Der Prozess soll im August beginnen – auch hier setzen seine Anwälte alle Hebel und allen Einfluss ein, um das Verfahren zu torpedieren, zu verschleppen und bestenfalls platzen zu lassen. Zuletzt hatte sich Anklägerin Fani Willis wegen einer Liebesbeziehung zu einem der anderen Staatsanwälte in dem Fall rechtfertigen müssen.

Sturm auf das Kapitol

Das heikelste aller Verfahren ist aber zweifellos jenes rund um den Sturm hunderter Trump-Anhänger auf das US-Kapitol am 6. Jänner 2021, während der Kongress tagte und die Aufgabe hatte, Bidens Wahlsieg gemäß US-Verfassung formell zu bestätigen. Trump muss sich im Zusammenhang mit diesen Vorgängen und wegen versuchter Wahlverfälschung verantworten. Ihm wird unter anderem Verschwörungsversuch vorgeworfen. Auch hier war das Anwaltsteam des Ex-Präsidenten zwischenzeitlich erfolgreich: Das Verfahren sollte eigentlich am 4. März beginnen, doch schon im Februar wurde der Start verschoben – auf einen neuen Termin wartet die US-Justiz, und mit ihr die Weltöffentlichkeit, noch heute.

Grund für die Verzögerung ist die Frage, ob Trump für seine Handlungen als US-Präsident überhaupt strafrechtlich belangt werden kann. Anfang Dezember hatte eine Bundesrichterin einen Antrag auf Immunität Trumps zurückgewiesen. Auch ein Berufungsgericht kam Anfang Februar zum gleichen Urteil. Trump hat in der Frage längst den Supreme Court angerufen. Im äußersten Fall könnte der Prozess platzen, sollte das Höchstrichtergremium in Trumps Sinne entscheiden. (gian, ksh, red, 3.4.2024)