Neben Tempeln und Kirschblüten können Tokio-Besucher jetzt auch die moderneren Wunder der Stadt besichtigen: die öffentlichen Toiletten. Diese sind spätestens seit Wim Wenders Oscar-nominiertem Film "Perfect Days" aus dem Jahr 2023 weltberühmt. Der Streifen begleitet den Toilettenreiniger Hirayama durch seinen Alltag. Die öffentlichen WC-Anlagen im Tokioter Stadtteil Shibuya spielen darin eine wichtige Nebenrolle.
Auch Penelope Panczuk wurde durch "Perfect Days" dazu inspiriert, das Tokyo Toilet Shuttle zu besteigen und eine zweistündige Tour durch die künstlerisch gestalteten öffentlichen Toiletten zu unternehmen. "In den USA oder in Frankreich, wo ich ursprünglich herkomme, benutzt man öffentliche Toiletten eigentlich nicht hin", sagt Panczuk gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
"Hier in Tokio geht man wirklich gerne hin, denn sie sind extrem sauber, sehr sicher und so unterschiedlich, dass man das Gefühl hat, jedes Mal etwas Neues zu entdecken", fügt sie hinzu. Der Tokyo Toilet Shuttle startete diesen März – rechtzeitig mit dem Einsetzen eines Tourismusbooms, der vor allem durch den Kursverfall des Yen einsetzte.
Die Touristinnen und Touristen kommen, um sich die Sehenswürdigkeiten des Landes anzusehen, und dazu gehören auch die Toiletten, die zu Japans beliebtesten Technologieexporten der letzten Jahre zählen. Hergestellt werden sie von Toto, Lixil und anderen. Sie verfügen über Sitzheizung, Musik und andere Funktionen. Die Zeichentrickserie "South Park" widmete ihnen kürzlich eine ganze Folge, Hip-Hop-Impresario DJ Khaled schwärmt auf Instagram von seinen vier Toto-Schüsseln – einem Geschenk des Rappers Drake.
Dabei waren die öffentlichen WC-Anlagen ursprünglich gar nicht als Sehenswürdigkeit geplant. Denn die Stadtverwaltung von Shibuya wollte zunächst die Attraktivität des Viertels abseits der bekannt chaotischen Scramble-Kreuzung erhöhen. Ins Leben gerufen wurde das Tokioter Toilettenprojekt 2020 von der gemeinnützigen Nippon Foundation.
Dafür rekrutierte man berühmte Designer und Architekten, darunter den mit dem Pritzker-Preis ausgezeichneten Architekten Tadao Ando, um die Zugänglichkeit und die künstlerische Gestaltung von 17 öffentlichen Toiletten in Shibuya zu verbessern.
"Der Clou für die Besucher ist, dass sie sich durch die weniger besuchten Teile von Shibuya fahren lassen und das ganze Viertel genießen können, während sie sich die Toiletten ansehen", sagt Yumiko Nishi, die Leiterin des Tourismusverbands des Bezirks. Shuttle-Passagiere zahlen 4.950 Yen, rund 30 Euro, um neun verschiedene Toiletten zu besuchen, darunter eine mit durchsichtigen Wänden, die beim Betreten undurchsichtig werden, und eine andere, die per Sprachbefehl gesteuert wird.
Selbst Japaner sind von den speziellen Klos begeistert. Takao Karino, der aus Japans westlicher Metropole Osaka zu Besuch ist, staunt über den breiten, gewölbten Eingang einer Anlage, die vom britischen Designer Miles Pennington entworfen wurde. "So etwas gibt es sonst nirgendwo Japan", schwärmt der 69-jährige Karino. "Es ist ungewöhnlich, es ist einzigartig, es ist wirklich brillant." (Reuters, red, 14.4.2024)