Donald Trump will nun doch die Erzkonservativen unter seinen Wählern nicht mit einem landesweiten Abtreibungsverbot erfreuen. Die Entscheidung solle bei den Bundesstaaten bleiben, sagte er am Montag.
AFP/OLIVIER DOULIERY

Kaum ein Jahr ist es her, dass sich Donald Trump auf seiner Propagandaplattform Truth Social mächtig mit der Abschaffung des Abtreibungsrechts in den USA brüstete. "Nachdem es 50 Jahre lang niemand geschafft hat, konnte ich Roe v. Wade (das Pro-Abtreibungsurteil des Verfassungsgerichts von 1973, Anm.) kippen", postete der Ex-Präsident im vergangenen Mai. Nur durch ihn, so prahlte er, gebe es Verbote des Schwangerschaftsabbruchs. "Ohne mich würde die Antiabtreibungsbewegung immer weiter verlieren. Danke, Präsident TRUMP!"

Dem Herzen folgen, "aber Wahlen gewinnen"

Das viereinhalbminütige Video, das der 77-Jährige nun am Montag auf seinem Onlinedienst veröffentlichte, klingt deutlich anders. Darin breitet Trump seine Position zur Abtreibung für den aktuellen Wahlkampf aus. Vom schützenswerten ungeborenen Leben ist wenig die Rede. Stattdessen warnt er plötzlich vor zu rigiden Gesetzen: "Ihr müsst eurem Herzen folgen. Aber erinnert euch: Wir müssen auch Wahlen gewinnen, um unsere Kultur wiederherzustellen und unser Land zu retten!"

Konkret spricht sich Trump gegen ein nationales Abtreibungsgesetz aus, das die liberalen Regelungen in Bundesstaaten wie New York oder Kalifornien einschränken oder ganz abschaffen könnte – das aber umgekehrt auch strenge Beschränkungen in erzkonservativ regierten Staaten gelockert hätte. Er fordert stattdessen, dass die Bundesstaaten durch Gesetze oder Volksabstimmungen selbst über die jeweiligen Regeln entscheiden. Eindringlich mahnt er aber, auf jeden Fall Ausnahmen bei Vergewaltigung, Inzest oder einer Gefahr für das Leben der Mutter vorzusehen.

Neue Milde

Damit stellt sich der republikanische Präsidentschaftskandidat gegen die von seinen Parteifreunden in Alabama, Mississippi oder Texas beschlossenen rigiden Abtreibungsverbote ohne Ausnahmen. Außerdem unterstützt er ausdrücklich die künstliche Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation, die in 14 republikanischen Bundesstaaten verboten werden soll: "Die große Republikanische Partei wird immer bei euch sein", verspricht er plötzlich den Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch.

Die Kehrtwende des Kandidaten, der sich noch nie von moralischen Kriterien, sondern immer nur vom persönlichen Nützlichkeitsstandpunkt hat leiten lassen, kommt nicht von ungefähr: Eine Mehrheit der amerikanischen Wähler lehnt drastische Einschränkungen des Abtreibungsrechts, das bis zu dem Urteil des Supreme Court vom Sommer 2022 faktisch für die ersten 24 Schwangerschaftswochen galt, entschieden ab. Dankbar haben die Demokraten das Thema deshalb für ihren Wahlkampf aufgegriffen. Laut einer aktuellen Umfrage der renommierten Kaiser Family Foundation unterstützen 38 Prozent der Amerikaner in der Abtreibungsfrage den ansonsten unbeliebten Präsidenten Joe Biden und nur 29 Prozent seinen Herausforderer Trump.

Lügen über Demokraten

In dieser Situation versucht Trump nun mit einem gewagten Spagat, moderate Wähler zurückzugewinnen und gleichzeitig seine evangelikale Fanbasis bei Laune zu halten. In dem Video behauptet er faktenfrei, die Demokraten wollten "Babys bis zum neunten Monat und selbst nach der Geburt töten", was er verhindert habe: "Das ist inakzptabel." Gleichzeitig habe der Supreme Court die Entscheidungsgewalt aber an die Bürger gegeben, weshalb es in Ordnung sei, wenn in einigen Bundesstaaten die Gesetze "konservativer" seien als in anderen. Tatsächlich haben in den vergangenen zwei Jahren inzwischen 21 republikanische Bundesstaaten die Abtreibung entweder ganz verboten oder stark eingeschränkt. In Florida, wo es bislang eine 15-Wochen-Fristenregelung gab, wird die legale Frist im Mai auf sechs Wochen verkürzt. Zu dieser Zeit wissen viele Frauen noch gar nicht, dass sie schwanger sind.

First Lady Jill Biden bei der Veranstaltung einer demokratischen Frauenorganisation. Die Partei des Präsidenten wollte mit der Ablehnung strikter Abtreibungsverbote punkten.
AP/Jason Getz

Bei den religiösen Rechten stößt Trumps jüngster Kurswechsel auf wenig Begeisterung. "Wir sind tief enttäuscht von Trumps Position", erklärte Marjorie Dannenfelser, die Chefin der einflussreichen Antiabtreibungsorganisation Pro-Life America. Wer die Verantwortung auf die Bundesstaaten übertrage, kapituliere vor den Demokraten, monierte die Aktivistin. Gleichzeitig machte sie aber klar, dass ihre Organisation es weiter als ihr Hauptziel sehe, "Präsident Biden und seine extremen Demokraten im Kongress zu schlagen".

Die Demokraten ihrerseits wollen Trump das taktische Manöver nicht durchgehen lassen. "Donald Trump unterstützt jedes einzelne Abtreibungsverbot in den Staaten, auch die ohne Ausnahmen", betonte Ammar Moussa, ein Sprecher der Biden-Kampagne. "Und er prahlt mit seiner Rolle bei der Erschaffung dieser Höllenlandschaft."

Um ihren Aussagen Nachdruck zu verleihen, griffen die Parteistrategen der Demokraten am Montag zu einem unüblichen Mittel: Sie posteten auf der Plattform X (ehemals Twitter) einen Teil der Trump-Videobotschaft. In der fraglichen Passage prahlt der Ex-Präsident, er sei "stolz", das alte Abtreibungsrecht gekippt zu haben. (Karl Doemens aus Washington, 8.4.2024)