O.J. Simpson vor Gericht: Der Prozess 1995 in Los Angeles wurde zu einem der größten Medienereignisse der US-Geschichte
O.J. Simpson vor Gericht: Der Doppelmordprozess 1995 in Los Angeles wurde zu einem der größten Medienereignisse der US-Geschichte.
AFP/POOL

Wenn von den kommenden Strafverfahren gegen Ex-Präsident Donald Trump die Rede ist, fällt immer wieder der Satz: "Das wird das größte Medienspektakel seit dem O.-J.-Simpson-Prozess." Der ehemalige Footballstar und Schauspieler stand 1995 wegen des Mordes an seiner Ex-Frau und deren Freund in Los Angeles vor einem Geschworenengericht und wurde überraschend freigesprochen. Der live übertragene Prozess wurde neun Monate lang von hunderten Millionen Zusehern verfolgt und spaltete die Nation wie kaum ein anderes Ereignis. Er prägte die Debatte über Rassenbeziehungen auf Jahre hinaus – und Simpson ist am Donnerstag im Alter von 76 Jahren an Krebs gestorben, im Kreise seiner Kinder und Enkel, wie es auf dem Kurznachrichtendienst X hieß.

Simpson war schwarz, seine mutmaßlichen Opfer Nicole Brown Simpson und Ronald L. Goldman weiß, die Mehrheit der Geschworenen war schwarz. Obwohl die DNA-Spuren Simpson schwer belasteten, gelang es seinen hochbezahlten Verteidigern, genügend Zweifel über seine Schuld zu säen, durch Ermittlungsfehler und vor allem mit den früheren rassistischen Aussagen eines Polizisten, der Beweise gesichert hatte. Dazu kam das Bild, als Simpson im Gericht einen Handschuh probierte, auf dem Blut der Opfer gefunden wurde und dieser sich als zu klein erwies.

Jubel und Empörung nach dem Freispruch

Der Freispruch nach nur drei Stunden Beratung war eines der meistgesehenen TV-Ereignisse der US-Geschichte. Das Urteil löste Jubel bei den meisten Schwarzen und viel Empörung in der Mehrheitsgesellschaft aus. Während seiner Ehe mit Brown Simpson von 1985 bis 1992 wurde Simpson mehrfach von ihr der häuslichen Gewalt beschuldigt, was ihn sofort zum Hauptverdächtigen machte, als sie und ihr neuer Freund im Juni 1994 brutal ermordet wurden.

Kurz danach sorgte der Ex-Athlet bereits für einen der unvergesslichsten Medienspektakel der US-Geschichte: Seine Flucht in einem weißen Ford Bronco vor der Polizei, die ihn verhaften wollte, über die Freeways von Los Angeles wurde stundenlang live übertragen. Am Ende kehrte er nach Hause zurück und ließ sich festnehmen.

Für Simpson brachte der Freispruch im Mordprozess nur eine kurze Erleichterung: In einem Zivilprozess der Angehörigen der beiden Mordopfer wurde er 1997 von einer zumeist weißen Jury zur Zahlung von 33,5 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt. Er zahlte nur wenig davon, zog nach Florida, erhielt die Obsorge über seine Kinder zurück und versuchte, sein Leben zusammenzuhalten. Doch 2008 wurde er wegen eines bewaffneten Raubüberfalls auf ein Hotel in Las Vegas, bei dem er eigene Trophäen zurückholen wollte, zu einer 33-jährigen Haftstrafe verurteilt. 2017 kam er auf Bewährung frei und erkrankte einige Jahre später an Krebs.

Footballstar der 1970er-Jahre

Begonnen hat die O.-J.-Simpson-Saga mit einem phänomenalen Aufstieg. Als Kind trug Orenthal James Simpson, der sich schon bald O.J. nannte und später den Spitznamen "The Juice" erhielt, wegen einer Rachitis-Erkrankung Beinschienen, bewies aber dann sein besonderes sportliches Talent. In den 1970er-Jahren war er als Running Back bei den Buffalo Bills und den San Francisco 49ers einer der berühmtesten Footballspieler des Landes und wurde vielfach geehrt. Nach dem überraschend frühen Ende seiner NFL-Laufbahn 1979 wurde er Sportkommentator, versuchte sich im Golf und konzentrierte sich auf seine Karriere als Schauspieler, die er schon vor seinen Sporterfolgen begonnen hatte. Berühmt wurde er in seiner Rolle als Detective Nordberg an der Seite von Leslie Nielsen in den drei "Nackte Kanone"-Krimikomödien. Der letzte Teil der Erfolgsserie kam 1994 heraus, kurz bevor der Doppelmord in Los Angeles sein Leben und die USA grundlegend veränderte.

Simpsons Leben und vor allem der Prozess wurde vielfach für TV-Serien verfilmt, am bekanntesten "The People vs. O.J. Simpson", und wurde Thema unzähliger Bücher. 2006 verfasste er selbst unter dem Titel "If I Did It" ein scheinbar sich selbst belastendes Manuskript, das nach einem Aufschrei aber nicht von ihm veröffentlicht werden durfte. Es war Goldmans Familie, die das Buch mit zusätzlichem Material herausbrachte. Die Kontrolle über die Geschichte seines Lebens war ihm längst entglitten. (Eric Frey, 11.4.2024)