Wenn der deutsche Kanzler Olaf Scholz China besucht, wird er wie zu besten Merkel-Zeiten um weniger Benachteiligungen für europäische Unternehmen bitten, Partnerschaft bei Klimafragen betonen und hinter verschlossenen Türen auch die heiklen Themen Menschenrechte und Russland ansprechen. Same business as usual, also?

Wenn der deutsche Kanzler Olaf Scholz China besucht, wird er wie zu besten Merkel-Zeiten um weniger Benachteiligungen für europäische Unternehmen bitten, Partnerschaft bei Klimafragen betonen und hinter verschlossenen Türen auch die heiklen Themen Menschenrechte und Russland ansprechen.
REUTERS/Andreas Rinke

Schön wär’s. Denn, um mit einem Anglizismus fortzufahren, "China is eating Germany’s lunch": China isst Deutschland das Essen weg. In den Berliner Thinktanks wünscht man sich mehr Unabhängigkeit von autoritären Systemen wie China. "De-Risking" lautet das Modewort. Dabei ist Deutschland, und damit ganz Europa, in den großen Zukunftsprojekten abhängiger von Peking denn je. Mit dem Verbrennerverbot demontiert Deutschland die wettbewerbsfähigste Industrie, die es hat. China wuchs in dieser Zeit zum dominanten Spieler in der EV-Industrie. Gleichzeitig baute man die eigene Dominanz über nahezu die gesamten Lieferketten bei Batteriemetallen aus. Das lief derart gut, dass man aktuell auf einem Haufen von Überkapazitäten sitzt – die ins Ausland verkauft werden sollen.

Unfaires Spiel

Die Exporte von E-Autos und Lithium-Ionen-Batterien stiegen im vergangenen Jahr um 30 Prozent auf 143 Milliarden US-Dollar. Dasselbe bei der Energiewende: Bei Solarzellen und Windturbinen hat China mittlerweile einen globalen Marktanteil von 80 Prozent. Vieles davon wird mit Kohleenergie und unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt. Kein Wunder also, dass das Handelsdefizit mit der EU im vergangenen Jahr auf 400 Milliarden US-Dollar angeschwollen ist – vor 20 Jahren lag es noch bei 40 Milliarden.

"Europäische Staatschefs werden nicht zulassen können, dass unsere industrielle Basis durch einen unfairen Wettbewerb ausgehöhlt wird", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrem Peking-Besuch im vergangenen Dezember. Klingt gut. Nur: Dass China nicht fair spielt, ist nicht neu, sondern Tatsache seit dem WHO-Beitritt 2001.

Scholz ist gut darin, wenig zu tun, und noch besser darin, so zu tun, als gäbe es wenig zu tun. Tatsache aber ist, dass Deutschland und damit die gesamte EU eine Strategie braucht, wenn es im globalen Wirtschaftskrieg, der seit 2018 voll entfacht ist, bestehen will. Mit diesem Hebel in der Hand ließen sich auch wieder andere Themen wie Menschenrechte mit mehr Nachdruck verfolgen. (Philipp Mattheis, 14.4.2024)