Noch sind die Zahlen nicht beeindruckend. Exakt 682* Elektroautos der chinesischen Marke BYD sind in den ersten drei Monaten 2024 österreichweit zugelassen worden. Das ist zwar dreimal mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs, als der Hersteller mit dem Vertrieb in Österreich loslegte. Aber viel mehr als 1,2 Prozent Marktanteil konnten die Chinesen bisher nicht erobern bei den heimischen Neuzulassungen. Und selbst wenn man noch die Zahlen des schon länger aktiven chinesischen Autoherstellers MG dazurechnet, liegen die Neuzulassungen der beiden Autobauer aus China in Österreich unter den Werten von Tesla, von dem Abstand zu Marken wie VW oder Audi gar nicht zu sprechen.

Doch geht es nach den Marktbeobachtern, dann dürfte sich das schnell ändern. Die Zahlen sind nicht einfach zu lesen: Aktuell stammt zwar schon jedes fünfte Elektroauto in der EU aus China. Aber ein großer Teil dieser Wagen wird vom deutschen Hersteller BMW oder Tesla in China produziert und dann nach Europa verschifft. Der Anteil chinesischer Marken am europäischen Neuwagenmarkt ist dagegen noch relativ niedrig. Aber angesichts eines Preisvorteils von bis zu 25 Prozent gegenüber den Modellen europäischer Hersteller dürfte sich das rasch ändern. Erwartet wird, dass chinesische Marken wie BYD, MG oder Geely rasch an Boden gewinnen. Die Brüsseler NGO Transport & Environment, die sich für nachhaltigen Verkehr einsetzt, geht davon aus, dass schon 2027 jedes fünfte E-Auto von einer chinesischen Marke stammen wird.

Changzhou
Ein Elektroauto in der Fertigung im chinesischenChangzhou.
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Diese Entwicklung hat die EU-Kommission auf den Plan gerufen. Im Oktober kündigte sie eine Antisubventionsuntersuchung zu Importen von Elektrofahrzeugen aus China an. Sollte die Kommission zur Erkenntnis gelangen, dass Chinas Autohersteller von marktverzerrenden Subventionen profitieren, könnte die EU Elektroautos aus China mit Zöllen belegen. Aktuell beträgt der Zollsatz für diese Fahrzeuge zehn Prozent.

Vor kurzem gab ein hochrangiges Mitglied der Kommission bei einem Wien-Besuch Einblicke in den Stand des Verfahrens. Demnach haben im März EU-Beamte in China bei Autoherstellern Prüfungen durchgeführt. Die Kommission hegt keinen Zweifel daran, dass China seine Elektroautohersteller mit unfairen Subventionen stütze. Damit ist die erste Bedingung für die Verhängung von Zöllen wohl erfüllt, und eine offene Konfrontation der beiden Wirtschaftsblöcke rückt näher. Belegt werden muss freilich nun der zweite Punkt: dass die Praxis in China den europäischen Herstellern schadet oder zu schaden droht.

Im Juli wird die Kommission ihre Entscheidung verkünden, die Zölle könnten im Herbst eingeführt werden – sogar rückwirkend ab März 2024.

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Während der Tag der Entscheidung also näherrückt, wird die Debatte über Für und Wider bei Zöllen intensiver. Für Befürworter könnten die Zölle Europas Autoherstellern Zeit geben, ihren Abstand zu Herstellern in China aufzuholen. Chinas Autoproduzenten bauen auch ihre Vormachtstellung am chinesischen Markt aus und sind in Europa am Vormarsch. Das setzt der europäischen Autoindustrie bei Gewinnen zu. Weniger Produktion in Europa bedeutet aber auch, dass Jobs verloren gehen und die Wirtschaftsleistung sinkt. Die Allianz geht davon aus, dass Europas Wirtschaftsleistung 2030 um 0,15 Prozent niedriger sein wird, wenn Chinas Autohersteller weiter auf dem Vormarsch bleiben.

Baustein China

Aber es gibt auch gewichtige Argumente gegen die Anhebung von Zöllen. Eines lautet, dass die Gefahr für einen Handelskrieg steigt, der alle ärmer macht. 2023 exportierte die EU Waren im Wert von 230 Milliarden Euro nach China. China könnte mit Gegenmaßnahmen europäische Unternehmen also hart treffen. Als ersten Vorgeschmack darauf hat China eine Anti-Dumping Untersuchung gegen Weinbrand-Importe aus der EU eingeleitet. Betroffen sind vor allem französische Brandyhersteller wie Rémy Martin.

Die Kommission gibt sich angesichts solcher Muskelspiele entspannt. Das hat wohl auch damit zu tun, dass China weit mehr Waren nach Europa exportiert, als es von dort einführt, von einem Handelskrieg also selbst stark betroffen wäre. Sollte China mit einer Zollentscheidung der Kommission Probleme haben, müsse sich das Land mit einer Beschwerde an die Welthandelsorganisation WTO wenden, sagte der Kommissionsvertreter in Wien.

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Wichtiger ist ohnehin der Einwand, dass sich Europa mit den Zöllen ins eigene Knie schießt. Auf dem Spiel steht die Wende zur Elektromobilität. In der EU ist das Aus für Pkws mit Verbrennermotoren ab 2035 eigentlich bereits paktiert. Die günstigeren Elektroautos aus China sind ein Baustein dafür, dass diese Strategie aufgeht. Sollte die EU Fahrzeuge aus China mit Zöllen belegen, würden diese spürbar teurer werden: Aus historischen Erfahrungen lässt sich sagen, dass die EU Zölle in Höhe von bis zu 20 Prozent einheben könnte. Viele chinesische Autos würden damit preislich sogar über der Konkurrenz liegen, so eine Analyse von Transport & Environment.

Schwenk der Kommission?

Allerdings ist es inzwischen gar nicht mehr so sicher, ob die EU-Kommission nicht gerade einen Schwenk vollzieht und zum letzten Gefecht ausrückt, um die Lebensdauer der Verbrenner zu verlängern. In den vergangenen Monaten werden plötzlich die Stimmen laut, die ein Umdenken verlangen. Der CSU-Politiker und Vorsitzende der Europäischen Volksparteien im Europaparlament, Manfred Weber, will das Verbrenner-Aus 2035 kippen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont plötzlich laut, dass das Aus für den Verbrenner geprüft werden müsse, was 2026 ohnehin geschehen soll – darauf hat man sich in der EU verständigt.

Eine Debatte über einen Exit aus dem Verbrennerausstieg, Zölle, die Elektroautos verteuern würden: All das füge sich zu einem Gesamtbild zusammen, sagt der deutschen Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research Bochum. "Die Politik in Europa hat eine Welle gegen Elektroautos losgetreten", sagt der Experte. Die EU-Kommissionspräsidentin agiere im Interesse des französisch dominierten Autokonzerns Stellantis (Peugeot, Fiat). Der Konzern hinke bei Elektromobilität hinterher und sei in China kaum präsent, gehe also im Falle eines Handelskriegs kein Risiko ein.

Die lauten Zweifel der Kommission verunsicherten Konsumentinnen und Konsumenten, die erwägen würden, ein E-Auto zu kaufen, sagt Dudenhöffer. Wenn nicht sicher sei, dass die Wende zur Elektromobilität voranschreite und weiter in Ladeinfrastruktur investiert werde, kauften viele Menschen doch lieber kein Elektroauto. Diese politisch betriebene Verunsicherung ist für ihn auch eine Erklärung für den zuletzt schwächelnden Absatz bei E-Autos.

Dudenhöffer hielte die Einhebung von Zöllen für Autos aus China für einen groben Fehler: einmal, weil der Zug zur E-Mobilität dann wohl abgefahren sei. Wenn Europa diesen Prozess verlangsame, werde es noch weiter ins Hintertreffen geraten, weil in China der Umstieg voranschreite – dort seien ein Viertel der Neuwagenzulassungen E-Autos. Zum anderen, weil die Kommission selbst derzeit mit Milliarden den Ausbau von Batteriewerken fördere. Wenn die Kommission die Elektromobilität jetzt ausbremse, zerstöre sie damit letztlich dieses Investment der Steuerzahler. Sicher ist auch: Kommen die Zölle, werden damit auch Hersteller wie BMW und Tesla in China getroffen, die E-Autos nach Europas ausführen. Ob die Nebenwirkung beabsichtigt ist? (András Szigetvari, 5.4.2024)