Das Aus ist besiegelt. Das krisengeschüttelte Schweizer Solarunternehmen Meyer Burger Technology macht sein Werk im sächsischen Freiberg dicht, 500 Mitarbeiter sind betroffen. Subventionen bei der Solarmodulherstellung in China hätten zu einer gravierenden Marktverzerrung geführt, erklärte Geschäftsführer Gunter Erfurt. Ohne eigene Förderung habe das Unternehmen, das einst Bohrmaschinen für die Uhrenindustrie erzeugte, mit seiner Produktion in Deutschland keine Chance. Dieser sogenannte Resilienzbonus jedoch wurde vom deutschen Finanzminister Christian Lindner (FDP) verwehrt. Dank satter Staatsbeihilfen Washingtons konzentrieren sich die Schweizer künftig auf den Aufbau neuer Fabriken in den Vereinigten Staaten. Mit der Schließung des Werks sinkt Europa, einst führend bei der Herstellung von Solarmodulen, weiter in Richtung einer globalen Bedeutungslosigkeit.

Die Billigkonkurrenz aus China macht europäischen Betrieben zu schaffen.
IMAGO/Sylvio Dittrich

Wie konnte es dazu kommen? Die Solarindustrie boomte seit der Jahrtausendwende und galt als Jobmaschine. Noch im Jahr 2008 machte die deutsche Solarworld, damals gefeierter Börsenstar, sogar ein Übernahmeangebot für den Autoerzeuger Opel. Ab 2011 ging es jedoch rasch abwärts. Sinkende Umsätze und Verluste des einstigen Vorzeigeunternehmens Solarworld mündeten 2017 in einer Insolvenz. Ursache des Niedergangs war die zunehmende und hochsubventionierte Billigkonkurrenz aus China. Denn gefördert wurde damals in Europa vor allem die Nachfrage über Einspeisetarife ins Stromnetz, allerdings ohne die hiesigen Anbieter gegen ausländischen Mitbewerb abzuschirmen. Inzwischen werden rund 80 Prozent der in Europa verbauten Solarmodule im Reich der Mitte gefertigt. War es ein industriepolitischer Fehler, eine zukunftsträchtige Branche wie Photovoltaik nicht durch Handelsbarrieren zu schützen?

Umbrüche im Welthandel

Aus damaliger Sicht nicht, meint Monika Rosen, Vizepräsidentin der Österreichisch–Amerikanischen Gesellschaft. Die Börsenexpertin erinnert daran, dass damals ein ungebrochener Glaube an die Globalisierung vorherrschte. "Das war eine andere Welt", sagt sie, "wo etwas produziert wird, war kein Thema." Hauptsache, es war kostengünstig und wurde just in time geliefert. Doch ab 2016 mit dem Brexit und der Zollpolitik des früheren US-Präsidenten Donald Trump zeichnete sich eine Abkehr von der Globalisierung ab, die mit dem Beginn des Ukrainekriegs endgültig vollzogen wurde. Wirtschaftliche Abhängigkeiten wie von russischem Gas gelten als Risiko. "Heute ist es nicht mehr egal, wo etwas produziert wird", sagt Rosen. Wifo-Volkswirt Harald Oberhofer gibt zu bedenken, dass China 2001 der Welthandelsorganisation WTO beigetreten ist. "Wenn man Barrieren abbaut, steigt der Wettbewerbsdruck."

Ist der Zug damit abgefahren? Oder kann Europa bei nachhaltigen Technologien und zukunftsträchtigen Branchen wie Photovoltaik eigene Industrien stärken oder aufbauen?

Wie konnte China so schnell eine eigene Produktion in großem Stil hochziehen? Der Ökonom verweist auf die Förderungen und den mangelnden Schutz geistigen Eigentums in China, zumal die Technologie seit den 1960er-Jahren bekannt und inzwischen "keine Rocket-Science" mehr sei. Im Nachhinein betrachtet ist man aus Oberhofers Sicht "ein bisschen naiv" vorgegangen: "Europa hat zu lange nicht auf die heftige Subventionspolitik Chinas reagiert", sagt er.

Wie Märkte entwickelt werden

Ist der Zug damit abgefahren? Oder kann Europa bei nachhaltigen Technologien und zukunftsträchtigen Branchen wie Photovoltaik eigene Industrien stärken oder aufbauen? Auch Markus Müller, der das Chief Investment Office der Deutschen Bank leitet, registriert einen Umbruch im Warenhandel und meint: "Die Chinesen und Amerikaner schaffen es, Märkte zu entwickeln." Das zeige auch die Anzahl weltweiter Handelsinterventionen, die sich bis 2022 verglichen mit der Zeit vor der Corona-Pandemie versechsfacht habe.

Für Europa stellten sich folgende Fragen: "Wie bekommen wir technologische Lösungen in den Heimatmarkt? Und welche Schutzmaßnahmen brauchen wir um Industrien herum?" Wenig hält er von der sogenannten China-Strategie der EU, mit der die Union das Verhältnis umgestalten will. "Die beste Strategie für Europa ist eine fokussierte Europa-Strategie, statt sich um andere zu kümmern", sagt Müller – räumt aber hinsichtlich des Umbaus hin zu erneuerbaren Energien ein: "Wir haben ein Zeitproblem."

Strafzölle sinnvoll?

Wären also Strafzölle für chinesische Billigimporte der richtige Weg, wie sie etwa Frankreich ins Spiel gebracht hat? Börsenexpertin Rosen ist skeptisch: "Man kann die eigene Produktion nicht so schnell hochfahren", gibt sie mit Blick auf die Energiewende zu bedenken. Zudem gebe es ohnedies enorm hohe Fertigungskapazitäten: "Die Chinesen gehen unter in ihren eigenen Solarpaneelen", sagt Rosen. Wifo-Ökonom Oberhofer weist darauf hin, dass europäische Hersteller zu höheren Kosten produzieren müssten: "Was die reine Preisfrage betrifft, ist das Match verloren."

Es werden also weiterhin Paneele aus China auf Europas Dächern dominieren – und Meyer Burgers Werk in Freiberg nicht die letzte europäische Solarfabrik sein, in der die Lichter für immer ausgehen. (Alexander Hahn, 31.3.2024)