Junge Frau hält brennende Zigarette in der Hand, ihr Gesicht ist im Hintergrund und verschwommen
Praktisch alle COPD-Betroffenen haben eine lange Raucherkarriere hinter sich. Was viele nicht wissen: Für Frauen ist das Risiko zu erkranken deutlich größer, vor allem wenn sie sehr jung mit dem Rauchen begonnen haben.
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Man sollte mit dem Rauchen aufhören. Oder am besten gar nicht erst damit anfangen. Klar, das weiß man mittlerweile. Doch so einfach ist das nicht, immerhin ist Nikotin ein extrem starkes Suchtmittel. Mit jedem Zug an der Zigarette geht es direkt ins Belohnungszentrum des Gehirns und sorgt dort dafür, dass der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet wird. Mit jedem Zug an der Zigarette kommt es außerdem zu einer Schädigung der Schleimhaut in den Bronchien. Die ist irreversibel. Und irgendwann kann daraus COPD entstehen – immerhin bei einer rauchenden Person von fünf, das sind 20 Prozent.

Die Chronic Obstructive Pulmonary Disease, auf Deutsch chronisch-obstruktive Bronchitis (COB) mit oder ohne Lungenemphysem, kurz COPD, gilt als klassische Raucherkrankheit und als unheilbar. Karikaturist und Kettenraucher Manfred Deix war davon betroffen, Schlagersänger Nino de Angelo leidet daran. Die Atemwege verengen sich bei COPD, das führt dazu, dass der Luftstrom vor allem bei der Ausatmung behindert ist. Typische Beschwerden sind Husten und Atemnot, die mit fortschreitender Erkrankung immer schlimmer werden.

Zwischen fünf und acht Prozent aller Menschen sind davon betroffen – mit einer wahrscheinlich höheren Dunkelziffer. Das sind in Österreich zwischen 450.000 und 720.000 Personen. Zwischen 50.000 und 100.000 davon haben COPD in fortgeschrittenem Stadium. "90 Prozent aller Betroffenen sind oder waren mehr oder weniger starke Raucher", weiß Arschang Valipour, Vorstand der Abteilung Innere Medizin und Pneumologie an der Klinik Floridsdorf und Leiter des Instituts für Lungenforschung und pneumologische Onkologie der Karl-Landsteiner-Gesellschaft.

Und auch bei jenen zehn Prozent Betroffenen, die nie geraucht haben, haben die meisten eine entsprechende Karriere hinter sich – als Passivraucher. Weitere Auslöser können eine hohe und langanhaltende Schadstoffbelastung in der Atemluft sein, durch Feinstaubexposition am Bau oder im Bergbau, Chemikaliendämpfe, etwa durch Lacke, oder Gasexposition – oft ist es eine Kombination aus mehreren Ursachen. Auch eine genetische Komponente dürfte beim Ausbruch der Krankheit mitspielen, die hat aber insgesamt eine untergeordnete Rolle.

Vernarbte Schleimhaut

Doch was genau passiert da in der Lunge? Jede einzelne Zigarette, die man raucht – und jede andere Schadstoffexposition –, verursacht eine Schädigung der Schleimhaut in den Bronchien. "Man kann sich das in etwa so vorstellen, als würde man die Haut immer wieder ritzen. Das verheilt jedes Mal, aber wenn man das über Tage, Wochen, Monate und Jahre macht, entsteht irgendwann eine Narbe. Und genau das Gleiche passiert in der Schleimhaut der Bronchien", erklärt Valipour.

Dieser Schaden ist irreversibel. Als erste Folge beginnen die Bronchien, mehr Schleim zu produzieren, Betroffene fangen dann an zu husten. "Das ist eigentlich noch die Kompensationsphase", weiß der Experte. Aber bereits in dieser Phase wird die Schleimhautbarriere in der Lunge, die als Abwehrfläche für Erreger dient, zerstört. Die dort vorhandenen Abwehrzellen werden weniger oder sterben ganz ab. In weiterer Folge kommt es zu Entzündungen und Schwellungen der Schleimhaut, im Laufe der Jahre entsteht daraus eine regelrechte Vernarbung der kleinsten Atemwege, die dann nicht mehr arbeiten können.

Bei manchen Betroffenen kommt dann noch ein Lungenemphysem dazu, das heißt, die Lungenbläschen erweitern sich zuerst und sterben dann ab. Valipour erklärt: "Wenn man sich die Lunge wie einen Baum vorstellt, mit Stamm, Ästen und mehr, sind die Bronchien sozusagen die Zweige, die Lungenbläschen sind die Blätter. Verliert ein Baum seine Blätter dauerhaft, weiß man, was passiert." Man spricht dann von einer Auflösung der Lungenstruktur, "da entstehen richtige Hohlräume in der Lunge".

Das Problem mit diesen Hohlräumen: In sie kommt zwar Luft hinein, aber nicht mehr so leicht heraus – weil ja die Lungenbläschen nicht mehr funktionieren. Dadurch blasen sie sich auf, die funktionsuntüchtigen Bereiche nehmen mehr Platz ein und behindern den Lungenbereich, der noch funktioniert, zusätzlich.

Stiegen steigen unmöglich

Diese Kombination aus entzündlicher Schwellung und Verlust der Lungenbläschenfunktion macht das Atmen zunehmend schwerer, bis hin zu massiver Atemnot. Das ist auch der Grund, warum viele Betroffene im fortgeschrittenen Stadium permanent Sauerstoff bekommen. "Am Anfang zeigt sich das als oft unspezifischer Husten, oft auch mit Auswurf. Den tun viele noch als Raucherhusten ab und schreiben ihm keinen krankheitsspezifischen Wert zu", berichtet Valipour aus der Praxis. Das ist einer der Gründe, warum COPD vor allem im Frühstadium viel zu wenig diagnostiziert wird, bei bis zu 50 Prozent der Betroffenen. Jeder zweite weiß also nicht, dass er oder sie ernsthaft krank ist.

Erst im weiteren Krankheitsverlauf, wenn es bei immer leichteren Belastungen zu immer stärkerer Atemnot kommt – wenn etwa Stiegensteigen in den dritten Stock einfach nicht mehr geht, geschweige denn sportliche Belastung –, werden viele auf das Problem aufmerksam.

Heilung gibt es für die Krankheit bisher keine. Wie soll das auch gehen? Ist das Lungengewebe einmal zerstört, wächst es nicht mehr nach. Die einzige Möglichkeit wäre dann eine Lungentransplantation. "Die kommt aber für viele Betroffene allein schon wegen ihres Alters nicht infrage, viele haben auch andere Krankheiten, die so einen Eingriff verunmöglichen", weiß Valipour. Denn die meisten Patientinnen und Patienten in so einem schweren Stadium sind über 65, was üblicherweise die Grenze für so einen Eingriff ist.

Theresa Klemm und Arschang Valipour
Studienärztin Theresa Klemm und Pneumologe Arschang Valipour sind an Studien zu neuen Behandlungsformen bei COPD beteiligt.
Marco Sommer

Man muss aber nicht verzweifeln mit der Diagnose, beruhigt der Lungenexperte. Auch wenn die Erkrankung nicht heilbar ist, kann man ziemlich viel tun. Valipour berichtet von Patientinnen und Patienten, die seit zehn Jahren und zum Teil auch viel länger mit stabiler COPD leben. Und über die Karl-Landsteiner-Gesellschaft ist sein Team auch an mehreren Studien beteiligt, die neue Operationsmethoden prüfen, die Betroffenen das Atmen erleichtern und die Lebensqualität verbessern sollen.

Vier Behandlungspfeiler

Was kann man also tun? Ärztin Theresa Klemm, die mit Valipour an der Studie beteiligt ist, erklärt: "Bei der Behandlung von COPD geht es in erster Linie darum, die Symptomlast zu senken, damit Betroffene ein möglichst normales Leben führen können." Die Maßnahmen sind je nach Krankheitsstadium unterschiedlich, grundsätzlich gibt es vier Therapiepfeiler. "Der allererste Ansatz ist, so banal das klingt, dass man Erkrankte immer wieder darauf hinweisen muss, dass sie aufhören sollten zu rauchen. Das ist ein extrem wichtiger Pfeiler, vor allem in der Prävention."

Dann gilt es, das Immunsystem zu unterstützen. "Gerade für COPD-Betroffene sind alle empfohlenen Schutzimpfungen extrem wichtig, weil viele Infektionen, gegen die man impfen kann, auf die Atemwege gehen", betont Klemm.

Im nächsten Schritt steigert man die körperliche Leistungsfähigkeit, mit Physio-, Kraft- und Ausdauertraining. Das beeinflusst zwar die Lungenfunktion per se wenig, doch ist man fitter, können Herz-Kreislauf-System und Muskulatur besser arbeiten. Klemm erklärt: "Die Menschen haben dann weniger Atemnot bei der gleichen Belastung. Dadurch kann man die Symptomlast nicht nur einfrieren, sondern sogar verbessern."

Fehlt noch der vierte Behandlungspfeiler. Der ist relativ neu, kann aber für so manche Betroffene einen wesentlichen Unterschied machen: "Mittlerweile können wir, ergänzend zur klassischen Behandlung, auch interventionelle Verfahren anbieten, die die Lebensqualität im Idealfall für mehrere Jahre deutlich verbessern können", betont Klemm.

Mehr Luft durch operativen Eingriff

Das Problem bei COPD: Wenn die Lungenbläschen absterben, geht, wie erwähnt, in die betroffenen Lungenbereiche zwar die Luft hinein, sie kommt aber nicht mehr so gut heraus. Dadurch bläht sich dieser Lungenbereich auf und behindert die noch funktionsfähigen Bereiche zusätzlich. Nun gibt es einen minimalinvasiven Eingriff, bei dem in diese Bereiche kleine Einwegventile eingesetzt werden, die die Luft wieder nach außen leiten – und verhindern, dass neue Luft hineinkommt. Dadurch kann der erkrankte Teil der Lunge schrumpfen, der funktionsfähige Bereich hat wieder mehr Platz, das Atmen geht leichter.

Etwa 20 Prozent der Betroffenen im fortgeschrittenen Stadium mit Lungenemphysem kommen im Moment für diesen Eingriff infrage. Das will man nun ändern, deshalb ist das Karl-Landsteiner-Institut an einer internationalen Studie zu Behandlungsmethoden beteiligt, die so eine Ventiltherapie für einen breiteren Kreis von Patienten und Patientinnen möglich machen. Klemm erklärt: "Nicht wenige Betroffene haben undichte Stellen im Lungengewebe, deshalb kann man sie nicht mit diesen Einwegventilen behandeln. Wir verschließen diese undichten Stellen gezielt." Derzeit werden 200 Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 45 und 75 Jahren im Zuge der Phase-II-Studie behandelt, an insgesamt 30 Studienzentren weltweit. Zwei Jahre sollen Nachbeobachtung und Kontrolle dauern.

Das ist aber nicht die einzige Neuerung. Pneumologe Valipour bestätigt, dass aktuell mehrere neue Behandlungsansätze erforscht werden, in den nächsten Jahren tut sich viel: "Die COPD-Forschung steht derzeit etwa da, wo die Kardiologie vor 20 Jahren war, als sich Verfahren wie das Einsetzen von Herzkathetern und Stents breit etabliert haben. Damit konnte man die Sterblichkeit massiv verringern und die Lebensqualität deutlich steigern. Wir gehen davon aus, dass man in Bezug auf COPD in den nächsten Jahren eine ähnliche Entwicklung sehen wird."

Vorbeugen mit Ernährung

Am besten ist es natürlich, sich die Krankheit gar nicht erst einzufangen. Und mittlerweile weiß man immer besser, wie das gelingt. Naheliegend ist, dass das Risiko einer späteren Erkrankung umso größer ist, je früher man zu rauchen beginnt. Inzwischen weiß man aber auch, dass das Risiko für (junge) Frauen noch einmal deutlich größer ist. "Bei ihnen reichen außerdem tendenziell weniger Zigaretten als bei Burschen", betont Valipour.

Doch es gibt auch noch anderen Faktoren. Es spielt etwa eine Rolle, ob man im Kindesalter viele Atemwegsinfekte hatte, vor allem häufige Bronchitis ist ein Risikofaktor, ebenso wie Asthma. Jede Krankheitsbelastung der Lunge ist ein zusätzlicher Risikofaktor – vor allem wenn man dann über viele Jahre zehn Zigaretten am Tag oder mehr raucht.

Doch es gibt noch eine Form der Prävention, die man bei dem Thema nicht auf den ersten Blick vermuten würde: die Ernährung. Und zwar in der Kindheit genauso wie in späteren Jahren, wenn man womöglich schon erkrankt ist. "Die Ernährung spielt eine wichtige Rolle in Bezug auf das Lungenwachstum. Ist die Lunge nicht voll entwickelt, steigt das COPD-Risiko", berichtet Valipour. Eine niederländische Studie zeigt etwa, dass Personen, die in der Nachkriegszeit aufgewachsen sind, auch bei weniger Rauchbelastung eher eine COPD entwickeln. Der wahrscheinliche Grund: Gleich nach dem Krieg gab es einen ausgeprägten Hungerwinter, es dauerte mehrere Jahre, bis die Versorgung wieder ausreichend war. Viele Mütter, und damit auch deren Neugeborene und Kinder in dieser Zeit, bekamen einfach zu wenig zu essen, das hat das Lungenwachstum beeinträchtigt.

Doch auch später hat die Ernährung einen großen Einfluss. Man kann damit sogar den Verlauf günstig beeinflussen, wenn man schon erkrankt ist. "Die Ernährung beeinflusst das Mikrobiom im Darm, die Zusammensetzung der Bakterienflora. Und die wiederum ist entscheidend für unser Immunsystem", erklärt Valipour. Funktioniert das Immunsystem besser, kann es chronische Entzündungen – und genau das ist COPD ja – wesentlich effizienter bekämpfen. Setzt man also auf mediterrane Kost mit wenig Fleisch, dafür Fisch, Hülsenfrüchten, Olivenöl und vor allem viel Gemüse, schmeckt das nicht nur gut, es hilft auf Umwegen auch der Lunge. (Pia Kruckenhauser, 18.4.2024)