Schon länger steht in der US-Innenpolitik in der Kritik. Und, wie dieser Tage eher selten, ziehen Demokraten und Republikaner hier am gleichen Strang. Man fürchtet, dass die Plattform, die dem chinesischen Bytedance-Konzern gehört, für Einflussnahme auf US-Politik und Spionage missbraucht wird. Nach Nutzungsverboten für Angestellte der Bundesregierung und auch Beamten in verschiedenen Bundesstaaten, ist nun der schon länger erwartete nächste Schritt erfolgt. In den USA hat Tiktok nach eigenen Angaben 170 Millionen User, wird also von mehr als jedem 2. Einwohner verwendet.

Im Repräsentantenhaus wurde mit großer Mehrheit - 360 zu 58 Stimmen - ein Gesetzespaket beschlossen, das auch ein Ultimatum an Bytedance enthält. Es ist der Nachfolger eines bereits im März verabschiedeten Beschlusses, das allerdings in der zweiten Kammer, dem Senat, nicht vorwärts kam. Nun wurde dieser Beschluss leicht angepasst und gebündelt mit Auslandshilfen an Taiwan, Israel und einem seit Monaten von republikanischer Seite blockierten Hilfspaket für die Ukraine.

Das App-Icon von Tiktok
Tiktok steht sowohl in den USA als auch in Europa unter Beschuss.
DER STANDARD/Pichler

Neuer Anlauf mit hohen Erfolgschancen

Für Tiktok hat sich damit aktuell im Vergleich zu März zwar noch nichts geändert. Allerdings ist diesmal davon auszugehen, dass das Paket dem Senat wahrscheinlich schon kommende Woche vorgelegt und von diesem angenommen wird. Präsident Joe Biden hat bereits angekündigt, das Gesetz danach zügig unterschreiben zu wollen.

Verzögerungen sind allerdings möglich. Der Republikaner Rand Paul gilt als vehementer Gegner der Auslandshilfen als auch des Tiktok-Beschlusses und könnte die Abstimmung per Filibuster verzögern, also seinen Redebeitrag in die Länge ziehen. In diesem Fall müsste der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, einen Beschluss zur Beendigung der Debatte und Beginn der Abstimmung einbringen. Ein solcher benötigt jedoch eine Mehrheit von 60 der 100 Senatoren und somit Unterstützung von republikanischer Seite, wie "Politico" erklärt.

Ein Jahr für Verkauf

Wird das Gesetz schlagend, so beginnt eine Frist für Bytedance zu laufen. Diese wurde aufgrund verfassungsrechtlicher Sorgen im Vergleich zum ersten Beschluss von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert. Innerhalb dieser Zeit muss Bytedance sein Netzwerk verkaufen. Kommt es dieser Auflage nicht nach, so wird es in den USA verboten und muss aus den Appstores von Apple und Google entfernt werden. Interessente an einem Kauf gibt es bereits.

Steven Mnuchin, einst Finanzminister unter der Regierung Trump, will etwa eine Investorengruppe dafür zusammentrommeln. Auch bestehende US-Investoren von Bytedance wie Sequoia Capital und General Atlantic, sind potenzielle Kandidaten. In Medienberichten wurden außerdem auch dem ehemaligen Activision-Blizzard-CEO Bobby Kotick und OpenAI-Chef Sam Altman Interesse nachgesagt. Was eine solche Übernahme, sofern Bytedance sie ermöglicht, kosten würde, ist unklar. Laut einer von der "Financial Times" zitierten Schätzung seitens des Finanzdienstleisters Wedbush wäre Tiktok gut 100 Milliarden Dollar wert, sollten im Kauf auch die Algorithmen inkludiert sein. Verblieben diese bei Bytedance, dann liegt die Schätzung eher bei 40 Milliarden Dollar.

Kritik am drohenden Verbot gibt es auch seitens X-Eigner Elon Musk.
AP/Kirsty Wigglesworth

In einer Reaktion auf das Votum erneuert Tiktok seine Kritik aus dem März. Ein Tiktok-Verbot wäre eine Einschränkung der Meinungsfreiheit von 170 Millionen US-Amerikanern. Außerdem verwies man darauf, dass das Netzwerk pro Jahr 24 Milliarden Dollar zur US-Wirtschaft beisteuere. Schützenhilfe für ersteres Argument gab es vom Eigentümer von X (vormals Twitter), Elon Musk. Auch er sieht im drohenden Verbot einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit und versucht dabei, seine Uneigennützigkeit zu betonen. Denn immerhin wäre ein solches von Vorteil für seine eigene Plattform.

Die chinesische Regierung sprach sich, ebenfalls nicht zum ersten Mal, vehement gegen einen Verkauf von Tiktok aus. Bytedance hat auch eine gerichtliche Anfechtung des Gesetzes angekündigt, sollte dieses endgültig beschlossen werden und in Kraft treten. Allerdings gibt es bereits Zweifel verschiedener Rechtsexperten, dass man damit erfolgreich ist. Nicht zuletzt, weil einer der wenigen Trümpfe gegen das Argument "Meinungsfreiheit" in den USA die "nationale Sicherheit" ist, die man bei Republikanern und Demokraten bedroht sieht.

Auch in Europa unter Druck

Tiktok und Bytedance hatten, auch in Befragungen im Kongress, immer wieder bekräftigt, keine Daten von US-Nutzern an die chinesische Regierung zu übergeben. An dieser Schilderung wurden aber immer wieder Zweifel angemeldet, unter anderem aufgrund der strengen gesetzlichen Auflagen in China und der politisch erzwungenen Verbandelung und dem Loyalitätsgebot zwischen größeren chinesischen Konzernen und der Regierung. China-Experte Shaomin Li erinnerte in einem Kommentar zu den Verbotsanstrengungen an das Datenleak der chinesischen Hackerfirma I-Soon, das aufzeigte, dass ein Datenaustausch zwischen Firmen und staatlichen Stellen in China gang und gäbe ist. Daher sei er auch nicht davon überzeugt, dass US-Nutzerdaten sicher seien, nur weil sie in den USA, Malaysia und Singapur und nicht in China gespeichert werden. Dafür sei es auch nicht relevant, ob Bytedance direkte Befehle von der Partei erhält oder diese Leute im Aufsichtsrat des Konzerns hat.

TikTok ist vor allem bei jungen Leuten immens populär und hat in den Nutzungszeiten längst Konkurrenten wie Facebook und Instagram überholt. Weltweit hat TikTok mehr als eine Milliarde Nutzerinnen und Nutzer. TikTok steht allerdings auch in der EU unter verstärktem politischen Druck. Im März traten EU-Regeln in Kraft, die darauf abzielen, die Marktmacht von ByteDance und anderer großer Digitalkonzerne wie Amazon, Apple und Meta zu beschränken. (gpi, APA, 21.4.2024)