Sophia Klein kommt viel herum. In den vergan­genen Monaten streifte die junge Deutsche durch Wälder und Wüsten, ging Ski fahren und rekelte sich auf einer Segelyacht. So präsentiert sich Klein auf Instagram, wo ihr knapp 11.000 Leute folgen. Die Studentin hat dabei kon­stant gute Laune und offenbar keine Geldnöte.

KI-Model Sophia Klein
Marcus Schubert, der Schöpfer von Sophia Klein, sagt: "Was echte Influencer in ihrer bunten Welt mit Luxushotels und Reisen so zeigen,ist auch bloß eine Scheinwelt."
Marcus Schubert/Stable Diffusion

Das hat einen einfachen Grund. Sophia Klein ist keine echte Person, sondern die Schöpfung von Marcus Schubert aus Sachsen-Anhalt. Der 37-Jährige betreibt in der Stadt Stendal eine Werbeagentur und begann im August, auf Instagram mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu experimentieren. "Wie weit kann man dabei gehen? Was halten die Menschen für realistisch? Was kann man noch daraus machen?", erklärt Schubert dem STANDARD, warum er eine Frau erfunden hat und auf immer neue Reisen schickt.

Männer, die Frauen generieren

Klein oder vielmehr Schubert ist in guter Gesellschaft. Innerhalb weniger Monate haben KI-Models wie die Spanierin Isabella Montezia und die Finnin Emma Laurent tausende Follower gewonnen. Schubert erzählt, er wende täglich zwei bis drei Stunden auf, um neue Bilder von Sophia­ zu basteln und ihre Community zu betreuen. Andere KI-Model-Schöpfer investieren gar vier bis fünf Stunden. Laut Medienberichten sind es vorwiegend Männer, die wiederum vorwiegend weibliche KI-Profile anlegen und pflegen.

"Man kann ganz platt sagen, Männer sehen ein weibliches Model und sagen sich: 'Finde ich hübsch, folge ich erst mal'", meint Schubert. Deshalb fiel auch seine Wahl auf die Erstellung einer KI-Frau: "Je attraktiver eine Frau ist, umso höher ist die Wachstumsrate der Follower. So funktioniert die Welt leider." Und so wurde Sophia Klein, wie sie ist: blond, große Oberweite, freizügig.

Schwärmende Fans

Schubert legt Sophia Kleins KI-Herkunft klar offen. Ihr Benutzername: ai.model.germany. Andere Profilbesitzer bauen den Hinweis dezent in den Namen ein, etwa bei der erfolgreichen Aitana Lopez. Einige Mitglieder der deutschsprachigen KI-Modelszene, darunter Schubert, versprechen auf der Website not-fake.ai, sie würden die KI-Identität ihrer Figuren transparent machen, Gesetze einhalten und keine Bilder von Promis ohne deren Einverständnis übernehmen.

KI-Model Sophia Klein auf Reisen
Sophia Klein kommt viel herum in der Welt. Das KI-Model hat sich seit August verändert. Es wird nicht älter, aber da Content-Produzent Schubert an seinen Eingaben tüftelt, wirkt es heute realistischer.
Marcus Schubert/Stable Diffusion

Trotz der Offenlegungen der KI-Identitäten geraten viele User bei Sophia Klein und Co ins Schwärmen. Ein Mann schreibt unter ein Bild von Isabella Montezia in Judokluft: "Viel Spaß beim Judo!" Ein anderer tippt an einem kühlen Märztag unter ein Bild des spanischen KI-Models Susana Gallegoia: "Bleib im Warmen!"

Anfragen für Hostessen-Jobs

Schubert beobachtet: "Die meisten Männer kriegen nicht mit, dass sie eigentlich nur mit einem KI-Model schreiben – obwohl das in der Instagram-Biografie ex­plizit drinsteht." Ein befreundeter Creator eines KI-Models sei kürzlich gefragt worden, ob es als Hostess auf einer Messe arbeiten könne. Auf die Antwort "Das geht nicht, ich bin ein KI-Model" sei ihm entgegnet worden: "Vielleicht hat eine deiner Freundinnen Zeit?"

Schubert stellt im Schnitt täglich ein neues Bild von Klein auf Instagram, das er mit der Software Stable Diffusion erzeugt. Wobei die Motive nicht einzeln erstellt werden müssen. Schubert arbeitet mit sogenannten Wildcards – mit Textdateien, die zahlreiche Prompts, also Eingaben, enthalten. Wenn er das KI-Programm über Nacht laufen lasse, habe er am nächsten Tag 200 bis 300 Bilder von Sophia, aus denen er wählen könne. Seit August ist sie zwar nicht älter geworden, aber "Sophia wird immer realistischer", sagt der Werbefachmann. Die Beantwortung von Kommentaren lässt Schubert teilweise von Manychat, einem kalifornischen Chatbot-Unternehmen, abwickeln.

Stellen täuschend echt aussehende KI-Models nicht eine zunehmende Gefahr für die Jobs echter Menschen dar – für Influencerinnen oder Models? Schubert selbst erzählt von einem deutschen Kaufhaus, das bei ihm bereits wegen eines KI-Models für Info-Screens angefragt habe. "Ja, das wird dann nicht mehr für eine Frau ausgeschrieben, aber immer noch für eine Firma, wo ja auch Menschen arbeiten. Im Endeffekt steckt hinter beiden Models ein Mensch, der seine Arbeit macht", so sieht Schubert das.

Auf Fanvue fallen die Hüllen

Derzeit verdiene Schubert mit Klein rund 400 bis 600 Euro im Monat. Da sich die Hoffnung auf einen Werbedeal, etwa mit einer Modefirma, auf Instagram bisher nicht erfüllt hat, muss Klein sich auf dem Portal Fanvue verdingen. Wer dort ein Abo um 15 Dollar abschließe, erklärt Schubert, bekomme Bilder ihrer Brüste zu sehen. Für vollständige Nacktheit müssten Fans pro Bild noch einmal extra zahlen.

In Sophia Kleins vergleichsweise unschuldiger Instagram-Welt sollen bald auch andere Figuren auftauchen. "Ihre beste Freundin, mit der sie etwas unternimmt, zum Beispiel", sagt Schubert. Sophia Klein und die Schar der KI-Models – sie scheinen gerade erst richtig anzufangen. (Lukas Kapeller, 10.5.2024)