Sika Moon/Instagram
Mit 328.000 Followern gehört Sika Moon zu den erfolgreichsten KI-Influencerinnen. Hinter ihr soll eine ehemalige Onlyfans-Influencerin stehen.
Sika Moon/Instagram

"Babyyy, ich kann mich gerade gar nicht zurückhalten. Was machst du denn gerade?" Diese Nachricht gehört noch zu den harmlosen, die man von diversen Frauen bekommt, denen man auf der Plattform Fanvue folgt. Fanvue ist ein etwas weniger bekannter Ableger von Onlyfans. Beide Online-Services leben von Content-Creators, die zumeist sexy Bilder und/oder pornografische Videos für ihre Fans bereitstellen. Während Onlyfans zumindest in den ersten Jahren betont hat, dass die Frauen hinter den Bildern echt sind, ist das bei Fanvue anders. Hier tummeln sich mittlerweile auch offiziell KI-generierte Influencerinnen wie Alexis Ivyedge oder Sika Moon, die Interessierte fleißig um Geldeinwurf bitten.

250 Dollar für "Custom Video"

Wer noch nie auf einer Plattform wie Fanvue war, dem sei kurz das Modell erklärt. Beim ersten Einloggen sieht die Seite noch sehr langweilig aus. Unter "Suggested Creators" kann man sich durchblättern, bis man jemanden findet, der dem persönlichen Geschmack zusagt. Alternativ sucht man nach Namen, wenn man beispielsweise bestimmte KI-Influencerinnen sucht, die man etwa von Instagram kennt. Mit einem simplen "follow" outet man sich dann als Fan der ausgewählten Person und abonniert sie auf diesem Weg. Ab jetzt strömen Updates von Content-Creators wie Molly, Aitana oder Ivy in die eigene Timeline.

Viele Abos sind kostenlos, andere verlangen eine monatliche Gebühr zwischen fünf und 15 Dollar. Damit ist die Monetarisierung aber noch lange nicht abgeschlossen. Durch das Abo bekommt man von den Content-Creators vor allem schöne Urlaubsfotos, ein Posieren am Strand etwa. Wer "mehr" will, der wird laufend um "Trinkgeld" gebeten. Die KI-Influencerin Sika Moon etwa verlangt 50 Dollar für das Freischalten eines Duschvideos. Für ein fünfminütiges "Custom Video" darf man 250 Dollar zahlen. Sexting für 30 Minuten ist da mit 50 Dollar vergleichsweise günstig.

Fanvue/Sika Moon
Kostenlos gibt es auf Fanvue wenig. Die Preise sind je nach Popularität des Models gern auch höher angesetzt.
Fanvue/Sika Moon

Dass es sich bei den Frauen oftmals um KI-generierte Bilder handelt, wird nur selten verschwiegen. Alexis Ivyedge, die ebenfalls ein Instagram-Profil mit mehreren Hunderttausend Followern besitzt, gibt in ihrem Profil ganz klar zu, eine KI zu sein. "Menschliche Details" werden trotzdem genannt. Das Alter, die Größe und dass die junge Frau Single ist. Auf Fanvue, so sagt sie, darf man sich "sexy Bilder und schmutzige Kurzgeschichten" von ihr erwarten, die das Blut des Fans zum "Kochen" bringen sollen.

Viele junge Frauen auf der Plattform behaupten echte Menschen zu sein. Das mit Sicherheit festzustellen ist mittlerweile für die User eigentlich unmöglich. Wir schreiben Molly an, die ihre Ausbildung für Fanvue laut eigenem Profil aufgegeben hat. Die blonde Frau reagiert prompt auf die Direktnachricht und betont, dass sie "definitiv real" sei und persönlich auf "jede Nachricht" antworte. "Ich schwöre", schreibt sie. Auf die Frage, ob sie sich von den KI-Models bedroht fühlt, antwortet die angeblich reale Molly: "Technologie entwickelt sich weiter wie verrückt. Es ist aufregend zu sehen, wie realistisch KI-generierte Inhalte geworden sind." Plattformen wie Fanvue oder Onlyfans würden sich eben "weiterentwickeln". Wenn eine "Nachfrage nach KI-Models" bestünde, dann sollte man das respektieren und fördern, meint sie.

Fanvue
Die Website ist schlicht gehalten und erinnert vom User-Interface her sehr stark an Onlyfans.
Fanvue

Eine, die es wissen muss

Vor wenigen Tagen spricht die Plattform "OMR" mit der Person hinter der Influencerin Sika Moon. Die Deutsche, zumindest behauptet die anonyme Quelle eine Frau zu sein, hat laut eigenen Angaben in Berlin als Lehrerin gearbeitet und fünf Jahre lang mit Erotikinhalten sehr gut auf Onlyfans Geld verdient. Als ihr der Job zu anstrengend wird, startet sie eine Zweitkarriere als KI-Model. Sika Moon bezeichnet sie als "durchoptimierte Version" ihrer selbst. Das fängt bei den Körpermaßen an, geht über den immer perfekten Teint bis hin zu ganz menschlichen Eigenschaften. "Sika sieht immer Bombe aus, hat nie ihre Tage, braucht keinen Urlaub, ist immer top gelaunt, trägt, was ich ihr sage."

Initial will die Person hinter Sika Moon gar nicht wegen des Geldes diese Reise starten, sondern interessiert sich für KI-Tools wie ChatGPT, Stable Diffusion und Midjourney. Sie lernt besser mit den Tools umzugehen, schreibt bessere Prompts und vernetzt sich schnell mit anderen KI-Influencern. "Plötzlich hatte ich 30.000 Follower", erzählt sie und beginnt an eine Karriere als KI-Star zu glauben. Sie erstellt ein Onlyfans-Profil, allerdings verbietet die Plattform damals noch KI-Akteure. So kommt sie auf Fanvue, das bis dahin ebenfalls primär von menschlichen Content-Creators bevölkert ist. Aktuell sei sie "erfolgreicher als fast alle realen Models", erzählt sie stolz. Das Business sei "sehr lukrativ".

Der CEO von Fanvue, Will Monange, sagt dazu, dass dieser KI-Trend begrüßenswert sei, da er das Influencer-Business demokratisieren würde. Unabhängig vom Äußeren könne man nun auch Teil der Creator-Economy werden. Die Agenturen von erfolgreichen Instagram-Modells wie etwa Emily Pellegrini spricht er direkt an, gibt er zu. Mittlerweile bietet man mit Fanvue AI eigene Tools an, um die Arbeit der KI-Influencerinnen beziehungsweise von deren Hintermänner zu erleichtern. Eine automatisierte Chat-Funktion etwa, um schneller auf eingehende Nachrichten reagieren zu können, eine Übersetzungsfunktion von Nachrichten in andere Sprachen oder auch KI-generierte Audionachrichten, die wie die Influencer selbst klingen.

Gemischte Meinungen

Sucht man im Internet nach User-Erfahrungen mit der Plattform, finden sich schnell Kommentare, die Fanvue als "Scam" darstellen. Auf Trustpilot werfen mehrere User dem Online-Service vor, die Bilder von anderen sozialen Netzwerken gestohlen zu haben. "Wenn du einmal dort mit dem Instagram-Modell interagierst, wird schnell klar, dass sie das gar nicht ist." Die Mädchen würden nur dann antworten, wenn gerade "Bürozeiten in England" sind. Das würde dafür sprechen, dass hinter den Models einfach Angestellte in einem Büro antworten. Fanvue ist ein Unternehmen mit Sitz in England.

Auch Content-Creator melden sich zu Wort und meinen, dass ihnen von Usern überwiesenes Geld von Fanvue nicht ausbezahlt wurde. Auch der Kundenservice würde sich über Tage nicht zurückmelden, wenn man ein Problem mit der Plattform hat. Es finden sich aber auch positive Reviews, die fast zu überschwänglich die Vorteile von Fanvue loben. Auszahlungen würden laut diesen positiven Stimmen immer pünktlich überwiesen, und nach dem Anlegen des eigenen Accounts würde sich manchmal sogar der CEO persönlich mit ein paar netten Worten an den Content-Creator wenden.

Die wenigsten stören sich daran, dass die mit den KI-Models generierten Schönheitsideale noch extremer wirken, als jene von menschlichen Influencerinnen. Viele können die Unterschiede aber ohnehin kaum mehr erkennen, da auch reale Frauen und Männer in den letzten Jahren dank Filtern auf Tiktok, Instagram oder eigens dafür entwickelten Apps ebenfalls nur noch wie künstlich erstellte Figuren aussehen. Was das mit der Psyche von Kindern und Jugendlichen anstellt, war erst vor wenigen Wochen in einer aktuellen Studie zu lesen.

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Mr Lemon

Selfmade

Laut "semrush" besuchten im Dezember 2023 rund 2,3 Millionen Menschen Fanvue. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Anteil an KI-Influencerinnen auf der Plattform zunehmen wird, ist verhältnismäßig hoch. Im Netz überschlagen sich die Bauanleitungen für KI-generierte Frauen und das Anlegen von dazu passenden Instagram- und Fanvue-Accounts. Dazu nötig sind mehrere KI-Tools und etwas Geduld. Dann sind sogar Videos möglich, in denen die künstlich erstellten Frauen im eigenen Schlafzimmer neue Kleider anprobieren oder einen kleinen Tanz aufführen. Dabei sehen sie natürlich immer Bombe aus, haben nie ihre Tage und sind immer gut gelaunt. (Alexander Amon, 11.2.2024)