Über die Hälfte der heimischen Jugendlichen würde gerne etwas am eigenen Aussehen ändern, mehr als ein Viertel hat schon einmal über eine Schönheitsoperation nachgedacht. Diese alarmierenden Zahlen wurden Montagvormittag auf einer Pressekonferenz von Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) und der Informationsplattform Saferinternet.at präsentiert. Gründe für die zunehmende Unzufriedenheit der Jugendlichen mit ihrem eigenen Körper seien vor allem Content-Creator im Beauty-Bereich, aber auch der Trend von idealisierten KI-Influencerinnen. Eine effektive und kurzfristige Problemlösung konnte man an diesem Tag nicht liefern.

Teenager verbringen viel Zeit auf Social Media, auch wenn sich manche jetzt schon gezielt Pausen gönnen.
Getty Images/Maskot

Persönlicher Filter

Plakolm kam ungeschminkt zu dem Pressetermin, wie sie gleich zu Beginn klarstellte. Den "persönlichen Filter", also das Make-up, wollte sie aufgrund der heutigen Thematik beiseitelassen. Ganz so einfach lässt sich die in der Studie nachgewiesene Problematik natürlich nicht lösen. Der Druck auf Jugendliche, unrealistischen Körperbildern zu entsprechen, steigt. Das geht klar aus einer aktuellen Studie von Saferinternet hervor. In einem Alter, wo das Selbstwertgefühl oftmals nur schwach ausgeprägt ist, seien realitätsfremde Ansprüche an das Aussehen eine große Belastung. Es brauche deshalb mehr Realität statt Fake-Fotos in den sozialen Medien, sagte Plakolm, um das Selbstbewusstsein junger Menschen zu stärken. "Ob Pickel, Cellulite oder Speck an den Hüften – alle sind gefordert, ehrlicher mit dem eigenen Aussehen umzugehen."

Kontraproduktiv seien zudem von künstlicher Intelligenz hergestellte Fotos junger Menschen. "KI-Bilder von Menschen, die nicht einmal existieren, halte ich für eine Gefahr, wenn wir über Schönheitsideale junger Menschen reden", so Plakolm. Die Staatssekretärin will sich deshalb für eine EU-weite Kennzeichnungspflicht von KI-Fotos von Fake-Menschen in sozialen Medien starkmachen.

Studie Saferinternet.at
Knapp ein Drittel der Befragten hat sich bereits Gedanken zu einer möglichen Schönheitsoperation gemacht.
Saferinternet.at

Schön, schlank und sexy

Beim Überangebot an weiblichen KI-Influencerinnen und auf Beauty spezialisierten Content-Creators könnte man meinen, dass vor allem junge Mädchen und Frauen dem steigenden Druck ausgesetzt sind. Dem ist tatsächlich nur teilweise so. Beide Geschlechter geben an, dass das eigene Aussehen auf Fotos oder Videos, wo sie zu sehen sind, von "großer Bedeutung" ist. Wichtig ist es ihnen vor allem, schön (68 Prozent), gestylt (64 Prozent) und schlank (54 Prozent) auszusehen. Sich sexy darzustellen ist für 34 Prozent von Bedeutung, wobei Burschen (40 Prozent) darauf deutlich mehr Wert legen als Mädchen (27 Prozent). Hier zeigt sich, dass der Fokus auf das eigene Aussehen entgegen der weitverbreiteten Annahme längst kein reines Mädchenthema mehr ist. Um möglichst gut auszusehen, nutzen die Jugendlichen Licht, Posen und/oder Handywinkel und bearbeiten die Fotos und Videos, zum Beispiel mit Filtern.

Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) kam zu diesem Termin ungeschminkt – "ohne Filter", wie sie selbst sagte.
APA/ROLAND SCHLAGER

Völlig unreflektiert hinsichtlich der Gefahr Social Media sind die Jugendlichen oftmals nicht. Rund zwei Drittel der Befragten meinen zu merken, dass sich die Selbstwahrnehmung durch die Nutzung sozialer Netzwerke verändert. Eine Mehrheit gibt dennoch an, sich dennoch mit dem online gesehenen Idealbild zu vergleichen. Alarmierend ist, dass ein Viertel der Jugendlichen sich nach dem Konsum "schlecht" fühlt. Das Businessmodell der Influencerinnen funktioniert in jedem Fall. Die Jugendlichen geben an, vorgestellte Produkte zu kaufen oder aufgrund entsprechender Bilder schon einmal etwas am eigenen Aussehen geändert zu haben.

"Das Internet, soziale Netzwerke und Influencer:innen beeinflussen unsere Selbstwahrnehmung und ob wir uns selbst schön finden oder nicht." (Studienergebnis, Saferinternet.at)

Das Thema Hass im Netz im Zusammenhang mit dem Aussehen wird in der Studie nur gestreift. Knapp 75 Prozent geben an, Beleidigungen aufgrund des Aussehens bereits beobachtet zu haben. Vor allem Mädchen (84 Prozent) berichten von abwertenden Äußerungen im Internet und in sozialen Netzwerken. Vielleicht spielen auch deshalb Avatare in der digitalen Welt eine zunehmend wichtigere Rolle. Immerhin gibt fast ein Drittel an, ein solcher Avatar sollte möglichst gut aussehen.

Studie Saferinternet.at
Eigentlich sollte man sich nach der Internetnutzung gut fühlen, aber das trifft nicht auf alle zu.
Saferinternet.at

Gemeinsam lachen als Strategie

An wirksamen Mitteln gegen diese Probleme fehlt es aktuell. Eine verpflichtende Kennzeichnung von KI-Bildern ist derzeit erst angedacht, Fotos mit Filtern sind in Österreich ebenfalls nicht zwangsläufig als solche zu markieren. Deshalb braucht es andere Methoden. Manche davon wurden in der Studie sogar von den Jugendlichen eingeworfen. Manche reduzieren bereits aktiv ihren Social-Media-Konsum oder legen gezielte Pausen ein. Manche sind auch diversen Influencerinnen, die unrealistische Schönheitsideale propagieren, entfolgt. Auch gegenseitige Unterstützung wird als relevant empfunden: Sich im Freundeskreis immer wieder Komplimente zum Aussehen zu machen findet mehr als die Hälfte der Befragten hilfreich, während über ein Drittel dafür plädiert, sich gemeinsam über stressige Inhalte lustig zu machen und darüber zu lachen.

Allein werden es die Kinder trotzdem nicht schaffen, erklärt etwa Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von Saferinternet.at. "Die Jugendlichen selbst sehen die Familie als entscheidenden Ort der Aufklärung und betonen, dass der Umgang mit diesen Idealen primär von den Eltern erlernt werden sollte." Allerdings verfügen die Eltern laut Buchegger oft selbst nicht über ausreichend Medienkompetenz. Sie benötigen nach Meinung der Jugendlichen ebenfalls Unterstützung, damit sie ihre Kinder bei der kompetenten Mediennutzung begleiten können. Den Schulen falle dabei eine Schlüsselrolle zu, auch die Eltern zu erreichen und ihnen Aufklärungsmaterial anzubieten. Gleichzeitig wird die Schule von vielen auch als wichtiger Ort gesehen, um die Jugendlichen direkt anzusprechen. Möglichkeiten, den Umgang mit Schönheitsidealen im Unterricht zu thematisieren, sehen die Jugendlichen viele. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema anzuregen und die Medienkompetenz junger Menschen zu fördern ist demnach eine entscheidende Aufgabe der Lehrenden.

Studie Saferinternet.at
Oftmals machen Jugendliche dutzende Fotos, um danach eins für Social Media auszuwählen und zu posten.
Saferinternet.at

Die Umsetzung dieser Vermittlung von Medienkompetenz sei aber ein langer Weg, geben alle Vortragenden an diesem Tag zu. Der Lehrplan in Form der Digitalen Grundbildung sei aktuell noch zu sehr auf "technische Anwendungsbereiche" fokussiert, meint etwa Buchegger. Man müsse hier nachschärfen. Auch die verpflichtende Markierung von Filtern oder KI-Bildern wird wohl noch einen weiten politischen Weg zurücklegen müssen, bis Jugendliche auf einen Blick auf Social Media sehen, wie real ein Bild im Internet wirklich ist. Somit müssen sich die Heranwachsenden aktuell primär allein helfen. Ideen dazu gibt es bereits, etwa den "Reality-Check". Man solle einfach "rausgehen und schauen, wie die Leute wirklich sind", wird von manchen Jugendlichen in der Studie vorgeschlagen. Dadurch werde einem die Diskrepanz zwischen der verzerrten Online-Darstellung von Menschen und deren tatsächlichem Aussehen viel besser bewusst. (Alexander Amon, 5.2.2024)