Das BIld zeigt einen Mann, der ein Tablet in der Hand hält.
Selbst Tablets älteren Jahrgangs sind für viele Aufgaben immer noch alltagstauglich. Das ist für die Hersteller nur eines von mehreren Problemen.
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Es gab einmal Zeiten, da waren Tablets ziemlich angesagt. Zwischen Smartphone und Notebook fand sich ein Platz, wo die Geräte als ideale Mischung aus beiden Welten hohen Zuspruch fanden. Größere Displays als bei Smartphones und eine komfortablere Bedienung als bei Notebooks ergaben Sinn für den Secondscreen, Netflix in der Badewanne, Surfen im Internet oder für leichte Büroarbeiten. Eine längere Akkulaufzeit und das Versprechen, nahtlos zwischen Unterhaltung und Produktivität zu wechseln, erhöhten ihre Anziehungskraft.

Die Zeiten des Aufschwungs scheinen lange vorbei zu sein. Die Zahl der ausgelieferten Tablets ist in den letzten Jahren tendenziell geschrumpft. Laut dem Personal Computing Device Tracker der International Data Corporation (IDC) für 2023 sanken sie weltweit im vierten Quartal 2023 um 17,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und erreichten eine Gesamtzahl von 36,8 Millionen Einheiten. Dies stellt den größten Rückgang im vierten Quartal seit 2016 dar. Über das Jahr 2023 hinweg erreichten die Tablet-Lieferungen weltweit 128,5 Millionen Einheiten, was im Vergleich zu 2022 einem Rückgang von 20,5 Prozent entspricht und das niedrigste jährliche Volumen seit 2011 darstellt – ein Jahr nachdem der Hype mit dem iPad überhaupt erst ins Rollen gekommen war. Sind neue Tablets überflüssig geworden?

Mehrfach unter Druck

Natürlich sind die abnehmenden Verkaufszahlen zu einem großen Teil auf eine Marktsättigung zurückzuführen und auf die langlebigen, guten Geräte. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher, die den Wunsch nach einem Tablet hegten, haben bereits eines – und noch wichtiger: Sie sehen auch kaum einen Anreiz, auf neuere Modelle umzusteigen. Kein Wunder: Die Entwicklung der Tablets brachte in den letzten Jahren gemessen an ihrem bevorzugtem Einsatzgebiet auch keine signifikanten Neuerungen hervor. Für die eingangs erwähnten Aufgaben bedarf es aus Nutzersicht keiner intensiven Modellpflege – das beherrschen auch iPad und Co, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Allenfalls macht mal ein Akku Probleme, aber auch der ließe sich in vielen Fällen austauschen.

Verschärft wird die Situation durch wirtschaftliche Faktoren, wie Analyst Anuroopa Nataraj von IDC kommentiert: "Da sich die Wirtschaftslage nicht wesentlich verbessert hat und die Verbraucher ihr Geld nicht nur für Unterhaltungselektronik ausgeben, dürften Tablets auf der Prioritätenliste nicht sehr weit oben stehen." Für 2024 sei eine gewisse Erholung möglich, heißt es weiter, diese Herausforderungen bleiben aber noch länger erhalten. Das sind aber nicht die größten Probleme, mit denen diese Gerätekategorie konfrontiert ist.

Technologische Konvergenz und Hardware-Upgrades von Smartphones und Laptops erhöhen mit ähnlichen oder verbesserten Funktionen zunehmend den Druck und werden direkte Konkurrenz für Tablets. Das nächste Gerät ist für viele Nutzerinnen und Nutzer praktischerweise eher eines, dass möglichst viele Dinge vereint. Dazu dürfte künftig besonders die bei Herstellern immer stärker verbreitete Gattung der faltbaren Smartphones zählen. Eine ähnliche Richtung schlagen aber auch die Convertibles unter den Notebooks ein, die den Tablets ohnehin schon einen möglichen Weg in die Zukunft vorgeben. Diese Geräte bieten große Displays, leistungsfähigere Prozessoren und sind durch umklappbare oder abnehmbare Bildschirme flexibler einsetzbar als Notebooks – aber auch als Tablets.

Apples Vorsprung wurde zuletzt kleiner

In diesem anspruchsvollen Umfeld zeigt ein Blick auf die Hersteller, dass Apple unangefochtener Marktführer geblieben ist. Tatsächlich war der Marktanteil bei Tablets Ende 2023 mit 37,8 Prozent sogar so hoch wie nie zuvor. Das täuscht allerdings auch über die Tatsache hinweg, dass Apple insgesamt knapp ein Fünftel weniger Geräte ausgeliefert haben soll, als es noch im Jahr zuvor der Fall gewesen war.

Das mag nicht verwundern, schließlich hat man sich mit der Ankündigung neuer iPads so viel Zeit gelassen wie noch nie und 2023 ein komplettes Jahr ausgelassen. Laut aktuellem Quartalsbericht der IDC gibt es sogar Anzeichen dafür, dass Apple deshalb aktiv Marktanteile an Hersteller von Android-Tablets verloren haben dürfte. Huawei, Lenovo und vor allem Xiaomi verzeichneten signifikante Zuwächse bei den Auslieferungen ihrer Android-Tablets, was einerseits auf aggressive Marketingstrategien und andererseits auf die Erweiterung ihrer globalen Präsenz zurückzuführen sein könnte.

Auf dem weltweiten Tabletmarkt erreichte Huawei zuletzt einen Anteil von 9,4 Prozent, Lenovo einen von sieben Prozent, und bei Xiaomi waren es 5,9 Prozent. Im Gegensatz dazu erlebte Samsung, der erste Verfolger von Apple, im Quartalsvergleich zum Vorjahr einen kleinen Rückgang seines Marktanteils von 23,2 auf 21,7 Prozent. Daraus den Trend eines generellen Wachstums der Android-Geräte abzuleiten wäre allerdings zu kurz gegriffen – mit lediglich 200.000 ausgelieferten Einheiten mehr im Quartalsvergleich stagniert der globale Tabletmarkt in der Momentaufnahme lediglich.

Neue iPads – die Rettung?

Eine Verschiebung der Machtverhältnisse scheint zudem aus einem anderen Grund ausgeschlossen. Apple zeigt mit neuen Geräten auf und will neue Impulse setzen. Die Ankündigung der nächsten iPads soll auch Signalwirkung haben: Dass mit M4 erstmals ein neuer M-Chip in einem iPad und nicht in einem Macbook Premiere feiert, zeigt den hohen Stellenwert, den Apple dem iPad einräumt. Apple-CEO Tim Cook sprach bei der Ankündigung selbst vom "größten Tag" für das iPad, seit es das Tablet gibt. Dennoch bleibt erst abzuwarten, inwieweit Apple bereit ist, ein iPad (Pro) für gewisse Anwendungsszenarien zu einem Macbook-Ersatz werden zu lassen.

Das gilt auch für die damit in Verbindung stehenden KI-Funktionen – ein Gebiet, auf dem Apple bislang generell eher zurückhaltend agierte. Und auch wenn die Ingenieure von Apple damit angeben, dass die im M4-Chip enthaltene Neural Engine stärker sei als jede andere NPU (Neural Processing Unit) eines modernen Verbraucher-PCs: Das mag vielleicht eine gute Grundlage sein. Mit Foto- oder Video-Retuschen auf Knopfdruck und ähnlichen Features zeigt man aber Dinge, die bereits bekannt sind. Will man wirklich überraschen, muss man auf der bevorstehenden WWDC mit größeren Geschützen auffahren.

Aufgeräumte Strukturen, heimlicher Star

Apple will offensichtlich aber auch eine klarere Differenzierung in seine Modellreihen bringen. Das iPad Pro soll die Rolle des kompromisslosen Convertibles übernehmen, während das Air mit neu hinzugekommener Bildschirmgröße die Mittelklasse repräsentiert und stark an das alte iPad Pro (2022) erinnert – mit M2-Chip und ohne OLED-Display, dafür aber zu einem vergleichsweise attraktiveren Preis. Neben den neuen Top-Modellen hatte die Präsentation aber auch einen heimlichen Star: Fast schon ein wenig am Rande erwähnte Apple die Preisreduktion des klassischen iPad. Zu einem Preis ab 429 Euro ist es jetzt eine noch stärkere Waffe Apples, wenn es darum geht, die Marktführerschaft erfolgreich zu behaupten.

Es bleibt jedenfalls unbestritten, dass das günstigste iPad eine Schlüsselrolle in Apples Tablet-Strategie spielen muss, um unterschiedliche Kundenbedürfnisse und Preisniveaus bedienen zu können. Mit Modellreihen, die bei 700 Euro (iPad Air) oder gar 1.200 Euro (iPad Pro) beginnen, wird man die Marktführerschaft unabhängig von technischer Innovationskraft nicht halten können. Indem man aber mit einfacheren Modellen trotzdem noch eine breite Palette von Funktionen und Benutzerfreundlichkeit zu einem (für Apple-Verhältnisse) relativ erschwinglichen Preis anbietet, lässt sich eine breitere Kundenschicht erreichen, die über Technik-Enthusiasten hinausgeht und private Gelegenheitsnutzer, Bildungseinrichtungen oder kleine Unternehmen leicht anspricht.

Es bleibt spannend

Insbesondere vor dem Hintergrund der skizzierten Herausforderungen bleibt es jedenfalls abzuwarten, wie sich die neuen iPad-Modelle auf den schwächelnden Tablet-Markt auswirken werden. Die Strategie von Apple, durch eine längere Veröffentlichungspause bei den iPads das Gefühl eines bedeutenderen Upgrades zu vermitteln, ist aber jetzt schon teilweise gelungen und könnte durchaus neue Kundeninteressen wecken. Derzeit lässt sich aber noch nicht abschätzen, inwieweit die Neuerungen tatsächlich die Bedürfnisse der Verbraucherinnen und Verbraucher abholen werden – wirklich interessante Features, nämlich softwareseitige, wird man frühestens bei der nächsten WWDC im Juni angeteasert bekommen. Immerhin dürfte die Hardware dafür stimmen.

Somit bleibt aber auch noch fraglich, ob die Geräte zu einer signifikanten Veränderung der Marktdynamik führen können – oder zu einer Signalwirkung für andere Hersteller. Wesentlich dafür bleibt im größeren Kontext nicht zuletzt die wirtschaftliche Situation, die die Ausgabenpriorität der Konsumenten bestimmt. Und dass Tablets unter diesem Aspekt weiterhin keine hohe Priorität genießen werden, daran dürfte auch Apple wenig ändern können. Am ehesten eben noch mit der Preisreduktion des kleinsten iPads. (Benjamin Brandtner, 9.5.2024)