Zu den acht Klimt-Gemälden im Besitz des Wien Museums zählt auch die " Pallas Athene" (1898), das der Secessions-Bewegung als programmatisches Bild diente. 

Foto: Wien Museum

Wien - "Ein von literarischen Schmarotzern zum Titanen modernen Denkens emporgestapelter hochbegabter Kolorist." Derart Ätzendes, 1903 von Karl Kraus in der Fackel niedergeschrieben, der damit auch gleich Gustav Klimts Verteidiger, den Schriftsteller Hermann Bahr, abwatschte, hört man über Klimt schon lange nicht mehr. Erst recht nicht im Klimt-Jahr, das inzwischen seinen Zenit erreicht hat (drei Ausstellungen stehen noch aus) und dessen exekutierende Organe selig im Goldrausch schwelgen. Ein Konglomerat individueller Zugänge mit Tiefgang statt eines konzertierten, aber dünnen Gesamtüberblicks, so wurde die überbordende Vielfalt stets argumentiert.

Kürzlich steuerte das Theatermuseum mit Gegen Klimt, einer Schau, die sich den Anfeindungungen und Verteidigungen des Jahrhundertwendemalers widmet, ihren Teil bei; zuletzt klebte das Wien-Museum ihre Steinchen ins Klimt-Mosaik. Spott und Unkenrufe zur Klimt-Übersättigung wischt Direktor Wolfgang Kos weg: "Jetzt sind wird dran und hoffen, auch einen Akzent setzen zu können." Unter Akzent versteht das Wien-Museum allerdings ihren "ganzen Klimt": Denn das Wien-Museum rühmt sich, die weltweit größte Klimt-Sammlung zu haben: "Wir zeigen alles, was wir haben", und das sind immerhin acht Ölgemälde sowie 411 Zeichnungen, etliche Porträtfotos, Büsten, Totenmaske und Raritäten wie etwa die einzige noch existente blaue Malerkutte.

Statt jedoch qualitative Facetten zum Klimt-Ornament hinzuzufügen, torpediert man das Gesamtmosaik durch eine "unhierarchische" Präsentation des Gesamtschatzes. Schlau war es, die Hundertschaften an Zeichnungen - viele davon nur Skizzen - im Vergleich zur Albertina gleich als Raumtapete, also bis unter die Decke hinauf zu hängen. Eine Gleichmacherei, die man "unkonventionell" nennt, insbesondere weil man als Museum mit kulturhistorischem Anspruch auch die Schrechklichkeiten der Memorabilien versammelt: von der Krawatte bis zu Handarbeitsvorlage.

Verschattete Gemälde

Der gebotene, lange erwartete Überblick zu Gustav Klimt verdient jedoch keinen Jubel, reicht das Präsentierte allenfalls für einen Prolog. Vieles bleibt buchstäblich im Halbdunkel, darunter auch Gemäldeschätze wie die Pallas Athene (1898). Diese wird zwar im Kontext der Zeichnungen zu den Secessions-Ausstellungen präsentiert, säuft darin aber ab.

Viel besser ergeht es auch Emilie Flöge (1903) nicht: Ihr lebensgroßes Bildnis erhielt zwar einen Ehrenplatz, direkt davor stehend bleibt ihr Gesicht jedoch verschattet. Schlecht ausgeleuchtet, muss man hin- und hertrippeln, um den Lichtreflexen zu trotzen.

Großes Lob verdienen die produzierten Videointerviews. Denn damit ergänzt das Museum endlich das, was im Reigen der lobesschwangeren Huldigungen bislang fehlte: eine Relativierung von Klimt. Eine Dekonstruktion und Demontage, zu der man das Wien-Museum, ganz ohne Ironie, beglückwünschen muss. Da wirft Kulturwissenschafterin Lisa Fischer etwa einen Blick auf Klimt und die Frauen: Nicht nur dass die Pose beim Kuss der Frau das Genick brechen würde, sein in Gold gepacktes Frauenbild, der Gegenpol von Heiliger und Hure, offenbare "die Antimoderne der Wiener Moderne". Oder Kunstkritikerin Ursula Maria Probst, die Wien von der Klimt-Manie in einen Klimt-Overkill rutschen sieht und seine heutige Bedeutung infrage stellt: "Es gibt keine Auseinandersetzung mit Klimt in der aktuellen Kunstproduktion."

Den Nachteil, nur einen Klimt zu haben, verkehrt das Theatermuseum in Gegen Klimt hingegen gänzlich zu seinem Vorteil: Rund um die Nudas Veritas, die in Hermann Bahrs Villa einen Ehrenplatz hatte, spinnt die Ausstellung ein dichtes Netz, besetzt mit Zitaten aus den Tagebüchern des Autors und dem berühmten "Gegen Klimt", das die rüden Kritiker der Peinlichkeit anheimgeben sollte. Eine Ausstellung, die man satt, aber nicht übersättigt verlässt. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 18.5.2012)